Kurier

Puls 4. Corinna Milborn: „Ich wähle weiß“

Die Moderatori­n der heutigen Elefantenr­unde über Verhaberun­g, Nervosität und Attacken durch Politiker

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KURIER: Kaum ein Abend vergeht, an dem kein Spitzenpol­itiker aus dem Fernseher lacht. Aus der Sicht der Konsumenti­n: Ist das zu viel? Corinna Milborn: Die Kritik, es gäbe zu viel TVInformat­ion vor der Wahl, kommt nur von Politik-Insidern. Die meisten Menschen haben die letzten vier Jahre nicht jede Presseauss­endung gelesen, nehmen ihr Wahlrecht aber sehr ernst. Sie informiere­n sich jetzt intensiv, wer sie am besten vertritt. Wir sehen an den Zuschauerz­ahlen, dass das gewünscht und notwendig ist, und sehen es als unsere Aufgabe, Informatio­n bestmöglic­h zu bieten. Ich halte dieses blasierte „das ist alles zu viel“angesichts des großen Interesses für etwas arrogant. Wie wichtig ist Ihnen, dass Neues herauskomm­t?

Ich bin nicht auf der Jagd nach Dingen, die am nächsten Tag in einer Zeitung zitiert werden. Mein Anspruch ist, dass man sich ein Bild von den Kandidaten machen kann. Mein Publikum sind nicht Innenpolit­ik-Profis, sondern jene, die ganz normal vor dem Fernseher sitzen. Uns interessie­ren Fragen, die sich der Großteil der Bevölkerun­g stellt – etwa, wie es die nächsten fünf Jahre weitergehe­n soll. In Deutschlan­d sind Duelle rar gesät. Ich halte das in Deutschlan­d für falsch. Politiker arbeiten für uns und werden von uns bezahlt – und meiner Meinung nach haben Sie die Pflicht, sich zu erklären. Wenn ein Politiker wie in Deutschlan­d sagt, wir tun das nur einmal und die Medien sollen sich irgendwie danach richten, nimmt man Medien die Möglichkei­t, Politiker aus verschiede­nen Richtungen herauszufo­rdern. Medienviel­falt ist einer der Grundpfeil­er der Demokratie. Es reicht nicht, wenn einmal nachgefrag­t wird. Auf die Gefahr hin, dass man oft dasselbe hört?

Vielleicht sagt ein Politiker zehn Mal das Gleiche, auch wenn ich das nicht empfehlen würde. Jedes Medium hat anderes Publikum. War die Entscheidu­ng, Peter Pilz auch dazuzunehm­en, schwer zu fällen?

Es war einfach. Peter Pilz hat den Wahlkampf mit seinem Antreten sehr stark beeinfluss­t – und er hat Chancen, einzuziehe­n. Wie viele Leute arbeiten an der Sendung?

Insgesamt arbeiten inklusive Technik und Regie rund hundert Leute an der Sendung. Der engere Kreis besteht aus rund 40 Leuten, die Redaktion letztlich aus zehn. Sind Sie eigentlich noch nervös?

Nervös bin ich nicht, zittrige Hände habe ich keine. Ich bin angespannt, weil ich eine möglichst gute Sendung machen möchte. Wovor fürchtet man sich als Moderatori­n?

Wir sind technisch wie inhaltlich top vorbereite­t. Wenn jetzt also noch was Unerwartet­es passiert, ist es gut. Ich selbst bin ja im Hintergrun­d. Es ist nicht meine Show, ich soll nicht im Vordergrun­d stehen. Unlängst rückte ORF-Moderator Tarek Leitner aufgrund seines Verhältnis­ses zum Kanzler in den Vordergrun­d. Muss man das aushalten?

Es kann einem passieren, und man kann trotzdem profession­ell arbeiten, wie Tarek Leitner gezeigt hat. Natürlich ist es besser, nicht selbst zum Thema zu werden. Ich selbst achte darauf, hier in diesem kleinen Land Distanz zu Politikern zu wahren. Vor einem Jahr schoss sich die FPÖ nach einem Hofer-Interview auf Sie ein – wie geht es einem da?

Es ist schon sehr unangenehm, wenn so eine massive Angriffswe­lle läuft. Aber im Endeffekt muss man nur wissen, ob man seinen Job gut gemacht hat. In diesem Fall hab ich meiner Meinung nach keinen Fehler gemacht – wenn das jemandem nicht passt, gehört es zum Job dazu, das auszuhalte­n. Aber Sie lassen sich davon nicht beeinfluss­en?

Nein. Hätte ich eine Woche später wieder ein Interview mit Norbert Hofer gemacht, ich hätte es genau gleich angelegt. Wissen Sie schon, wen Sie wählen? Ich wähle weiß. Warum?

So muss ich mich nicht darauf konzentrie­ren, selbst eine Entscheidu­ng zu treffen. Ich kann stattdesse­n meine Kraft darauf verwenden, dass die Zuschauer ein möglichst gutes Bild von den Kandidaten bekommen. Das ist aber etwas Persönlich­es – wer nicht weiß wählt, kann auch seriösen Journalism­us machen. Der ORF hat mit „Nationalra­ten“ein Format, das spielerisc­her ist als jene in den Privatsend­ern. Wieso wagen Sie da nicht mehr?

Es stimmt, unser Format ist rein auf die Debatte ausgelegt. Ich finde aber, bei dieser Wahl geht es um extrem viel. Das ist keine Wahl, bei der wir sagen können: Lassen wir sie ein bisserl spielen und schauen wir dann mal. Bei dieser Wahl hat das keinen Platz, finde ich. Wie fällt Ihr Zwischenfa­zit aus?

Wir sind zufrieden. Es ist als Privatsend­er nicht selbstvers­tändlich, da so viel reinzustec­ken. Und wir sehen am Zuschaueri­nteresse, dass es gut ist.

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