Hoffen auf ein paar große Würfe
EU. Merkels Sieg macht’s möglich: Start für nötige Reformen in der EU aus Brüssel
Jetzt – oder dann wieder viele Jahre nicht. Mit Ende des heutigen Wahltages in Deutschland eröffnet sich für die EU eine so günstige Gelegenheit für notwendige Reformen wie schon lange nicht: Die Wirtschaft wächst in allen EU-Ländern. Der Brexit-Schock ist überstanden. In Frankreich kam mit Emmanuel Macron ein ausgesprochener Pro-Europäer zum Zug. In Deutschland wird Angela Merkel siegen. Und die nächsten wichtigen Wahlen, die wieder alle Entscheidungen auf europäischer Ebene monatelang blockieren, finden erst 2019 statt.
Fast zwei Jahre also, so lautet die Hoffnung der EUKommission, in denen der Umbau der Union vorangetrieben und ihre innere Stabilität gefestigt werden kann. Wer die EU voranbringen will, braucht Deutschland. Wer sie entscheidend vorabringen will, braucht die Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs.
Währungsfonds
Entlang dieser Achse könnte nun, nach den deutschen Wahlen, nach Drängen Brüssels endlich die auf halbem Weg stecken gebliebene Europäische Währungsunion vorangetrieben werden. Macron fordert: Ein eigenes Budget soll die Eurozone bekommen, einen eigenen Finanzminister
(siehe unten). Diese Pläne zur Verschmelzung der Eurozone werden Berlin auf alle Fälle zu weit gehen – egal, ob der Finanzminister wieder Wolfgang Schäuble heißt oder ob die FDP zum Koalitionspartner aufsteigt und den Posten des Minister beansprucht oder nicht. Grundsätzlich aber sei Deutschland für Re- formen bereit, bestätigt auch der österreichische EU-Experte Stefan Lehne. „Wahrscheinlich wird es zu einer Weiterentwicklung des Euro-Rettungsschirmes EMS zu einer Art Europäischen Währungs- fonds (EWS) kommen“, sagt er. Aus der Perspektive Deutschlands, das stets fürchtet, zum Zahlmeister Europas zu werden, ist das ein großer Schritt. Dieser EWS könnte in Zukunft europäischen Krisenländern unter die Arme greifen, ohne die ganze EU wieder wie im Fall Griechenlands in Panik zu stürzen.
In Brüssel wartet man nun nur noch das Schmieden der Koalition in Berlin ab – ehe dann der Schub der deutsch-französischen Achse auf allen Ebenen der EU wirksam werden soll.