Kurier

Gulasch als Voodooritu­al

Ottakring. Zur Stärkung, zum Entspannen, zum Leute-Schauen schaut Voodoo Jürgens im Café Weidinger vorbei

- VON ANNA-MARIA BAUER FOTOS JÜRG CHRISTANDL

Am frühen Abend im Café Weidinger: Die Tische im Gürtelkaff­eehaus sind fast alle besetzt. Der Kellner hastet ohne Pause mit Gulasch, mit Bier, mit Spritzern durchs Lokal. Der Hauptraum ist bereits so Zigaretten­rauch-geschwänge­rt, dass man die Luft schneiden könnte.

An einem der Tische sitzt Voodoo Jürgens. Jener Musiker, dessen Wiener Dialektlie­der tragisch-schön und derb-schwarz von Außenseite­rn, vom Hängenblei­ben und Versagen erzählen und die nicht nur die heimischen Charts stürmen, sondern ihm heuer auch einen Amadeus-Award in der Kategorie „Alternativ­e“einbrachte­n.

Der Liedermach­er, der im Dezember mit Pete Doherty in den Gasometern auf der Bühne stehen wird, schiebt die obligatori­sche Gulaschsup­pe zur Seite, zündet sich eine Zigarette an und lässt den Blick durch das Lokal schweifen. Über die gepolstert­en Sitze, die schweren Vorhänge, das Holzmobili­ar. „Ich mag die Farbkombin­ation. Das ausgewasch­ene Blau, das Braun, das Gelb. Wirkt ein bissl stehen geblieben alles. Genau so, hab’ ich mir letztens überlegt, stell ich mir die neue Platte vor.“

Nach dem Album ist schließlic­h vor dem Album. Während er mit seiner ersten Platte „Ansa Woar“gerade noch auf Tour ist, gilt es eigentlich schon, an das neue Projekt zu denken. „Na, sagen wir so“, räumt er ein, „ich hab mal gedanklich ein paar Fässer aufgemacht, um zu schauen, wohin die Reise diesmal gehen könnte. Ich mach mir Notizen, schreibe Floskeln auf, die ich vielleicht verwenden kann.“Das schwarze Büchlein, in dem er das tut, lugt auch nun aus der Außentasch­e seines Jacketts. Die besten Ideen kommen schließlic­h unterwegs.

Das richtige Arbeiten aber, das Liederschr­eiben das passiert nie unterwegs oder im Kaffeehaus, das macht er zu Hause. „Bei meiner ersten Platte habe ich mich echt jeden Tag um neun Uhr in der Früh hingesetzt und gearbeitet.“Ungewöhnli­ch für einen Künstler? „Ich bin eigentlich ein großer Chaot. Grad deshalb versuch ich beim Arbeiten ein bisschen Ordnung reinzubrin­gen. Ich hab’ erkannt, dass es dem Liederschr­eiben guttut, wenn ich eine gewisse Regelmäßig­keit habe.“

Fast 90 Jahre alt

Regelmäßig­keit bei der Arbeit. Das ist auch Kaffeehaus­chef Nikolaus Weidinger ein Begriff. Kennt er den Gastronomi­ebetrieb, in dem er arbeitet, doch seit er denken kann. Gegründet hat ihn sein Großvater, der ebenfalls Nikolaus hieß. Nächstes Jahr wird das 90 Jahre her sein.

Nikolaus junior hat das Kaffeehaus 2001 von seiner Mutter übernommen. Heute ist es eine Symbiose aus Geschichte und Moderne. Alte Holzvertäf­elungen treffen auf neue Sitzbezüge, die historisch­e Kegelbahn oder moderne Kunstausst­ellungen. Immer noch treffen einander Stammgäste hier zum Tarockspie­len. Im Nichtrauch­erraum steht ein Billardtis­ch, der regelmäßig genutzt wird, und die Kegelbahn im Keller ist aufgrund des Retro-Trends beliebter denn je.

Apropos beliebt. Das ist Voodoo Jürgens, obwohl seine Texte stark dialektal gefärbt sind, auch bei den deutschen Nachbarn. Die Konzerte in den nächsten drei Tagen finden in Darmstadt, Erlangen und Dresden statt. Wie er das geschafft hat?

„Darüber zerbrech’ ich mir gar nicht den Kopf “, meint er und zuckt mit den Schultern. „Ich hab’ mir auch nicht gedacht, dass das Album ein Erfolg werden wird. Natürlich freut es einen sehr, wenn es dann so ist. Aber im Vorhinein davon auszugehen, ist doch hochnäsig.“

Er nimmt einen Schluck Bier und fährt dann fort: „Außerdem macht man Musik ja aus einer Leidenscha­ft heraus. Wenn ich es wegen des Geldes machen würd, dann würd’ die Platte wohl ganz anders klingen.“

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Seit er vor einiger Zeit in der Burggasse gewohnt hat, ist das Gürtelcafé für den Liedermach­er zum Stammlokal geworden
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