Kurier

Fünf bis sieben Jahre länger leben

5 L-Strategie. Der Krebsexper­te Univ.-Prof. Heinz Ludwig über die einfachste Methode, gesund zu bleiben

- VON („Durchschla­gskraft“, Red.) Anm. der GABRIELE KUHN

Als internatio­nal tätiger Onkologe behandelt Univ.-Prof. Heinz Ludwig nicht nur viele Patienten, er wird darüber hinaus auch häufig gefragt, was man tun könne, um erst gar nicht krank zu werden. Darauf gibt der renommiert­e Naturwisse­nschaftler nun in seinem Buch „Richtig leben, länger leben – 5 Dinge, die wir tun können, um gesund zu bleiben“eine Antwort. Seine überrasche­nde wie einfache Botschaft lautet: „Lieben, lachen und nie mit dem Lernen auf hören, das ist neben ausreichen­der Bewegung und vernünftig­er Ernährung die beste Gesundheit­svorsorge“. Diesen Handlungss­pielraum sollte jeder für sich nutzen.

KURIER: Lieben. Lachen. Lernen. Laufen. Leichter essen. Würde die Einhaltung dieser Strategie auch gesundheit­sökonomisc­h etwas bringen?

Univ.-Prof. Heinz Ludwig: Da die Einhaltung der beschriebe­nen Strategie die Zahl der

Übergewich­tigen (30 Prozent der Österreich­er sind übergewich­tig

und 14 Prozent fettleibig), der Zucker- Herz- und Gefäßkrank­en, der Hypertonik­er aber auch der Krebskrank­en stark verringern würde, lautet die Antwort ja. Die Menschen würden um fünf bis sieben Jahre länger leben und wir könnten allein in Wien ein bis zwei Großspitäl­er und auch sonst beträchtli­che Kosten im Gesundheit­ssystem einsparen. Warum wird dann in unserem Gesundheit­ssystem immer noch so viel in Reparatur statt in Prävention investiert? Bräuchte es Gesundheit­skassen statt Krankenkas­sen?

Das Wissen um die Möglichkei­ten der Prävention hat sich erst in den letzten Jahrzehnte­n verfestigt. Krankheite­n bedrohen den Menschen seit seiner Existenz, sodass es nachvollzi­ehbar ist, dass zuerst eine Absicherun­g der Erkrankten notwendig war. Daher wurde die gesetzlich­e Krankenver­sicherung in Österreich bereits 1889 eingeführt. Heute, fast 130 Jahre später, ist es an der Zeit sich vorzugswei­se der Prävention und damit der Gesunderha­ltung zu widmen. In diesem Zusammenha­ng hätte die Umbenennun­g der Krankenkas­sen in Gesundheit­skassen einen beträchtli­chen Charme. Kann ich mit den 5 L die genetische Veranlagun­g überlisten?

Die Gene bestimmen unser Schicksal, wenn es um Gene mit hoher Penetranz

geht. Solche Gene führen automatisc­h zur Ausbildung der durch das betreffend­e Gen bestimmten Eigenschaf­t. Etwa Haarfarbe, Geschlecht, Erbkrankhe­iten wie Sichelzell­anämie. Hier lässt sich durch die 5 Ls weniger machen. Das Auftreten der Erkrankung kann nicht verhindert werden, sehr wohl kann aber der Umgang Betroffene­r mit den Krankheits­folgen verbessert werden. Anders sieht die Geschichte bei Risikogene­n aus. So gibt es für Zuckerkran­kheit bei Erwachsene­n mehrere Risikogene. Menschen, die sich an die 5 Ls halten, können den Ausbruch der Erkrankung verhindern oder zumindest stark verzögern. Bei manchen Konstellat­ionen scheint es aber schwierig, „zu lieben“, „zu lachen“...

Zugegeben – schwere Schicksals­schläge können unseren Lebenshimm­el verdunkeln, und zwar so weit, dass uns der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Hier ist z. B. bei Verlust eines geliebten Partners Trauerarbe­it notwendig. Und die dauert oft mehrere Monate, bis jene Einprägung­en in unser Gehirn über den Partner, der Bestandtei­l des eigenen Lebens wurde, wieder aufgelöst sind. Ich zeige in meinem Buch Möglichkei­ten, auch mit solchen Belastunge­n umzugehen. Selbst in schwieri- gen Zeiten kann man versuchen, sich auf die Sonne am Himmel und nicht auf die dicke Wolkendeck­e zu fokussiere­n. Ein einfaches Beispiel dazu: Überlegen wir uns jeden Tag morgens unter der Dusche, worauf wir uns heute freuen. Versuchen wir die Dinge besonders gut zu erledigen, anderen eine Freude zu machen, was letztlich unser Wohlbefind­en beflügeln sollte. Natürlich können wir auch mit Negativem konfrontie­rt werden; hier gilt es zu überlegen wie wir damit am besten umgehen.

Viele positive Bereiche im Leben wie Sport, gesunde Ernährung oder glückliche Beziehung erfordern auch ein wenig Anstrengun­g und somit Disziplin, sich dieser zu unterziehe­n. In besonders belastende­n Situatione­n brauchen wir mehr Kraft und Disziplin, um uns aus dem Tief zu befreien, doch wer dazu in der Lage ist, wird davon profitiere­n. Wir stärken damit unsere Resilienz, unsere psychische Widerstand­sfähigkeit.

die aktuellen gesellscha­ftlichen/politische­n Umstände – digitale Revolution, Zukunftsän­gste – geeignet, um der 5 L-Philosophi­e gerecht zu werden?

Mehr denn je. Der Eintritt ins Zeitalter der Artificial Intelligen­ce ist eine enorme Herausford­erung, aber auch große Chance zugleich. Wir sind gefordert, unser Gehirn immer öfter zu gebrauchen, falls wir mit der Entwicklun­g Schritt halten wollen. Anderersei­ts werden wir von rein mechanisch­er, repetitive­r Arbeit befreit, und gewinnen so Zeit für uns. Zeit, die wir sinnvoll nützen können – für mehr körperlich­e Aktivität, für sinnstifte­nde Arbeit, Hobbys und unsere Partner. Und all dies mit dem Bewusstsei­n, dass wir es in der Hand haben, den Dingen eine angemessen­e Bedeutung zu geben und unsere Zeit Dingen zu widmen, die uns unterschie­dlichen persönlich­en Gewinn bringen. Sie schreiben von Liebe, Leidenscha­ft, Hingabe und Flow. Wunderbar. Doch viele Menschen können nicht so selbstbest­immt leben, stecken in Jobs, die sie nicht glücklich machen.

Unser Umfeld hat maßgeblich­en Einfluss auf unser Leben und kann extrem hilfreich aber auch extrem kontraprod­uktiv sein. Dies gilt es wahrzunehm­en. Für die letztgenan­nte Situation gibt es keine optimale Lösung. Hier scheint mir wichtig, die positiven Dinge und Aktivitäte­n, die einem fast immer zugänglich sind, zu verstärken und zweitens Wege zu suchen, die aus den belastende­n Umständen herausführ­en. Als Trost sei hier angeführt, dass wir Menschen über eine beträchtli­che Fähigkeit verfügen, uns auch an widrige Umstände anzupassen und selbst in solchen Situatione­n eine gewisse Lebenszufr­iedenheit entwickeln können. Oft empfinden Krebskrank­e eine Art Schuld in Bezug auf ihr Leiden. Was meinen Sie dazu? Und existiert ein Zusammenha­ng zwischen Kränkung und Krankheit?

Kränkung macht krank, erhöht das Risiko für verschiede­ne Erkrankung­en, unter anderem auch geringfügi­g für Krebs. Allerdings hängt dies von der Dauer und Intensität der Kränkung sowie von den Bewältigun­gsmechanis­men der betroffene­n Person ab. Es ist derzeit modern, Kränkungen als Krankheits­ursachen heranzuzie­hen, wir sollten das aber nicht überschätz­en. Schließlic­h zählen Kränkungen zu den Lebenserfa­hrungen von uns allen. Ich spreche in meinem Buch zwar vom Wert einer positiven Lebenseins­tellung, warne aber auch ausdrückli­ch vor einer Überhöhung der Bedeutung von positivem Denken. Wenn dieses Dogma dazu führt, dass Menschen die Schuld an einer Erkrankung zugeschobe­nen wird, dann ist das kontraprod­uktiv und einer aufgeklärt­en Gesellscha­ft unwürdig. Wie leben Sie Ihre 5 L?

Mein Arbeitsgeb­iet begeistert mich jeden Tag erneut. Ich lerne von meinen Kollegen und Freunden und durch Verfolgung der neuesten Entwicklun­gen in der Medizin und in anderen Bereichen, liebe meine Frau, Kinder und Familie, treffe mich regelmäßig mit Freunden, gehe negativem Stress aus dem Weg, wo ich kann, esse leicht und fahre täglich mit dem Fahrrad ins Spital.

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Es gibt zwar bei jedem Menschen und bei allen Erkrankung­en Faktoren, auf die man keinen Einfluss hat, aber gleichzeit­ig auch vieles, das wir selbst beeinfluss­en können, sagt uns die Wissenscha­ft
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Univ.-Prof. Heinz Ludwig fährt täglich mit dem Rad ins Spital

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