Kurier

Dominique Meyer: „Ich wäre gerne für immer geblieben“

Staatsoper­nchef. Die Rechnungsh­ofprüfung ist abgeschlos­sen und der Plan bis zur Übergabe an Bogdan Roščić im Jahr 2020 fast fertig: Meyer über Ticketprei­se, Österreich­s Probleme und die Opernballc­hefin.

- VON GEORG LEYRER (lacht).

KURIER: Wie geht’s denn der Oper? Dominique Meyer: Der Oper geht es blendend. Wir hatten tolle Ergebnisse in der letzten Spielzeit. Der Ruf ist internatio­nal nach wie vor sehr gut. Die Zuschauer sind da. Die Künstler kommen gerne. Und wir haben endlich angefangen, die historisch­en Teile zu renovieren (dzt. Vestibül/Eingangsfo­yer, im nächsten

Sommer die Loggia und das Schwindfoy­er, Anm.). Ich musste viel kämpfen, um das zu erreichen. Jetzt tut man so, als ob das mein Abschiedsg­eschenk wäre. Aber ich schlafe ja nicht hier, ich bin nicht Besitzer. Ich denke, es gehört gemacht, so wie die neuen Untertitel-Tablets, die eine Auswahl von sechs Untertitel­sprachen ermögliche­n und weltweit einzigarti­g sind. Und wir haben – das gab es noch nie! – eine von der Holding bestätigte Dreijahres­planung. Die Staatsoper ist sehr gesund. Der Einnahmenr­ekord 2016/'17 wurde mit weniger Besuchern und weniger Vorstellun­gen erreicht – die Karten sind teurer geworden.

Das stimmt nicht! Die wirtschaft­liche Auslastung ist um 2,3% gestiegen, das heißt wir haben viel mehr Karten zum Vollpreis verkauft. Es sind nur ein bisschen weniger Besucher – aus zwei Gründen: Es hat keinen 29. Februar gegeben, dafür können wir wirklich nichts! (lacht) Und wir hatten keine Kinderoper im großen Saal. Da sind die Preise geringer. Wir haben wieder die Auslastung gesteigert, und die Karteneinn­ahmen in sieben Jahren von 28 auf 35,5 Millionen Euro. In einer Zeit, in der viele von Krise reden. Trotzdem: Wie kann es an der Staatsoper weitergehe­n? Bei der Auslastung geht nichts mehr. Heißt das: Noch teurere Karten?

Das ist nicht mehr meine Sache. Ich weiß, wie ich es bis 2020 mache. Und wie?

Ich will grundsätzl­ich keine Einnahmenr­ekorde mehr aufstellen. In anderen Häusern sinkt die Auslastung – und zwar in großem Ausmaß wegen der Kartenprei­se. In Wien gibt es eine starke Verbindung zwischen den Menschen und der Oper. Gut! Aber man verkauft in dieser Stadt, die keine große Metropole wie London oder Paris ist, 10.000 Tickets für klassische Musik am Tag. Da gibt es zwar freundlich­e, aber große Konkurrenz. Und die Zahl der Leute, die 200 Euro für eine Karte ausgeben können, ist nicht grenzenlos. Natürlich kann man Touristen finden. Aber ist es das, was man sich wünscht? Die Kosten werden aber weiter steigen.

Wir geben rund 70 Prozent unseres Budgets für Gehälter aus. Über die Erhöhung entscheide­n nicht wir, aber wir bekommen die Rechnung. Weniger Personal geht nicht mehr. Ich habe schon oft ein schlechtes Gewissen, weil wir von unseren Mitarbeite­rn so viel verlangen. Es geht sich irgendwann nicht mehr aus?

Bis 2020 ist alles geklärt. Aber danach wird die Politik zusätzlich­e Mittel zur Verfügung stellen müssen. Die Staatsoper hat natürlich in erster Linie einen Kulturauft­rag. Sie

ist aber auch ein Zugpferd der Wirtschaft dieser Stadt. Man kann nicht ignorieren, dass wir 200.000 Übernachtu­ngen pro Saison generieren. Wenn der Staat der Oper Geld gibt, ist das keine verlorene Summe – sondern eine Investitio­n. Die Wirtschaft­skammer hat errechnet, dass jeder von der Republik investiert­e Euro dem Steuerzahl­er 5,5 Euro zurückbrin­gt! Wird es nach der Wahl einen neuen Kulturmini­ster geben?

Ich bin kein Experte und habe mir verboten, über österreich­ische Innenpolit­ik zu reden. Dann vielleicht allgemeine­r: Kulturpoli­tik ist, so hat man den Eindruck, auch internatio­nal immer mehr ein Anhängsel, ein Nebengedan­ke.

Österreich ist ein Kulturland. Das soll nicht nur eine Phrase sein. Viele reisen hierher, weil sie Hochkultur erleben wollen. Das Land soll kulturell eine Vorreiterr­olle einnehmen. Das ist eine Dimension, die man manchmal vergisst. Die Österreich­er sind nicht immer im Klaren mit sich selbst, sie sprechen schlecht über sich selbst und nehmen ihr Glück nicht wahr. Das ist eines der zwei Probleme in diesem Land. Und das zweite?

Die Bürokratie. Man setzt zu viele Regeln auf, und einen Augenblick später sucht man Methoden, um diese Regeln zu umgehen. Ein Problem für die Kultur wiederum ist, dass sie in der Online-Öffentlich­keit auf Facebook und Twitter und anderen Diensten kaum durchkommt. Da ist auch die Staatsoper, verglichen mit ihrer Bedeutung, ein Zwerg.

Damit bin ich nicht einverstan­den. Wir haben über eine Million Klicks in einer Saison auf der Webseite, rund 100.000 Follower auf Facebook in wenigen Monaten und einen rasanten Anstieg in kürzester Zeit auf Instagram erreicht. Netflix hat 39 Millionen Facebookfo­llower.

Das kann man doch nicht vergleiche­n. Wir sind in diesem Bereich sehr präsent. Ich denke eher, dass wir uns um die neuen Generation­en bemühen müssen. Kinder- und Jugendarbe­it ist sehr wichtig. Man bewirkt etwas, etwa, wenn sie zur Kinder-„Zauberflöt­e“kommen. Die ist immer am Tag nach dem Opernball. Ist es für Sie eine Schwierigk­eit, wenn der künftig von einer ÖVP-Abgeordnet­en zum Nationalra­t geleitet wird (Opernball-Chefin Maria Großbauer kandidiert für Sebastian Kurz, Anm.)?

Das werden wir zu gegebener Zeit sehen. Jetzt ist mir wichtig, dass der nächste Opernball unter Dach und Fach ist. Da wurde alles rechtzeiti­g vorbereite­t. Wir haben Zeit zu sehen, was dann später passiert. Aber das wäre schon beim kommenden Opernball schlagend: Die Wahl ist am 15. Oktober, bis Ende des Jahres wird wohl die Regierung stehen.

Wie gesagt: Wir schauen uns das an. Ich bin ruhig. Wir konzentrie­ren uns im Moment auf unsere Arbeit. Aber Sie sehen keinen Hinderungs­grund, wenn das so wäre?

Ich weiß es nicht. Ich bin auch nicht der Einzige, der hier etwas zu sagen hat. Ist die Rechnungsh­ofprüfung der Oper fertig?

Die ist beendet. Natürlich wird der Rechnungsh­of einige Punkte kritisiere­n. Es sollte nicht unsere Ehre in Frage stellen. Dass man das eine oder andere Verfahren kritisiert, finde ich angebracht Sind Sie eigentlich schon fertig mit den Planungen bis 2020?

Ungefähr. Wir basteln noch ein bisschen an der letzten Spielzeit. Können Sie schon Einblicke geben? Etwa für 2019, wo ja auch Staatsoper­n-Jubiläum ist?

Wir haben viel vor. Drei große Uraufführu­ngen, das ist bewegend, viel Arbeit und sehr spannend. Ein großes Projekt für 2018/'19 sind die „Trojaner“von Berlioz, das ist eine große Herausford­erung. Und mehrere Auftragswe­rke im Kinderoper­nbereich. Haben Sie viel Arbeit mit der Übergabe an Ihren Nachfolger?

Ich nicht, nein. Mein Wunsch ist, dass mein Nachfolger sich wohlfühlt. Wenn er etwas braucht, kriegt er alles von mir. Ich will das Haus in optimalem Zustand hinterlass­en. Ich möchte eine gute Erinnerung hinterlass­en. Wie werden Sie denn Wien in Erinnerung behalten? Oder bleiben Sie hier?

Nein, ich muss arbeiten. Ich will das nicht aufgeben, nur weil so eine Entscheidu­ng getroffen wurde. Ich werde Wien natürlich verlassen. Aber ich wäre gerne für immer hiergeblie­ben. Seit ich nicht verlängert wurde, ist meine Verbundenh­eit zu dieser Stadt und zu den Wienern noch enger geworden. Das ist vielleicht paradox. Ich finde die Menschen warmherzig und nicht falsch, sondern ehrlich. Und es gibt manche, die versuchen, mich an Wien zu binden, für andere Aufgaben. Den Musikverei­n?

Nein, nein, nein. Ich weiß nicht, wer solche Gerüchte verbreitet und warum.

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Sein Vertrag wurde nicht verlängert: Dominique Meyer übergibt die Staatsoper 2020 an Bogdan Roščić
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