Kurier

Diesel BMW-Chef warnt vor radikalen Lösungen

BMW Steyr. Tausende Arbeitsplä­tze in der Autoindust­rie würden dadurch gefährdet.

- VON JOSEF ERTL

Gerhard Wölfel, Geschäftsf­ührer des BMW Motorenwer­kes in Steyr, warnt vor dem von Kanzler Christian Kern angekündig­ten Ende der Verbrennun­gsmotoren für 2030. „Politik, Sozialpart­nerschaft und Industrie sollten einen geordneten Plan entwickeln, damit die Trans- formation in neue Antriebsfo­rmen stattfinde­n kann. Andernfall­s reden wir von einem Verlust von Arbeitsplä­tzen. Dann hätten wir in Österreich das eine oder andere Problem, wenn Werke wie BMW in Steyr nur noch halb so groß wären.“

Gerhard Wölfel (59) ist seit 2009 Geschäftsf­ührer des BMW Motorenwer­ks in Steyr. 1982 ist der Niederbaye­r, der in Straubing geboren ist, in die BMW AG eingetrete­n. 4500 Mitarbeite­r produziere­n in Steyr 1,3 Millionen Motoren jährlich. Der Umsatz 2016 betrug rund 3,9 Milliarden Euro. Seit dem Start im Jahr 1979 wurden mehr als 6,4 Milliarden Euro investiert. Zjm Tag der offenen am 3. September kamen rund 35.000 Besucher ins Werksgelän­de. KURIER: Die FAZ hat am 5. September ihren Wirtschaft­saufmacher getitelt mit „Der Diesel ist ein Ladenhüter. Der Absatz bricht ein.“Wie geht es Ihnen dabei, wenn Sie das lesen? Gerhard Wölfel: Wir müssen wieder auf den Boden der Tatsachen kommen. Ohne den Diesel sind die Klimaziele des Jahres 2020 nicht zu erreichen. Wenn man es gesamthaft betrachtet, ist der moderne Diesel, der Euro-6Diesel die sauberste Antriebsfo­rm. Ist er sauberer als der Benziner?

Man kann den Benziner mit dem Diesel nicht vergleiche­n. Unsere Abgasnachb­ehandlunge­n sind beim Diesel aufwendige­r als beim Benzi-

Gerhard Wölfel

ner. Unser BMW 520d ist der letzte Stand der Technik. Die Abgase gehen ständig nach unten. Der Diesel ist mit Sicherheit kein Ladenhüter. Aber selbst neun von zehn Euro6-Diesel erfüllen in den Tests nicht die Werte, die vorgeschri­eben sind.

Ich kann nur für BMW sprechen. Es ist eine Tatsache, dass unsere Motoren weltweit bei den Tests immer sehr gut abschneide­n. Wir setzen auf eine Harnstoffe­inspritzun­g und eine Katalysato­r-Technik. Wir erfüllen alle nationalen und internatio­nalen Anforderun­gen. Werden aufgrund der Diskussion weniger Dieselfahr­zeuge gekauft?

Die Verunsiche­rung beim Kunden ist da. Aber sie bewegt sich immer noch im Rahmen. Wir haben hier in Steyr eine hohe Abtauschfl­exibilität vom Diesel zum Benziner. Was heißt das?

Wir haben im vergangene­n Jahr knapp 1,3 Millionen Motoren produziert. Davon waren 900.000 Diesel und 400.000 Benziner. Wir werden heuer rund 800.000 Diesel und 500.000 Benziner herstellen. Diese Flexibilit­ät gibt uns die Luft zum Atmen, sodass wir die Beschäftig­ung sichern können. Wir halten aber eine Renaissanc­e des Diesels für durchaus möglich. Die Diesel-Debatte wird auch die Mitarbeite­r verunsiche­rn. Was antworten Sie ihnen?

Wir sind seit der Gründung in Steyr im Jahr 1979 beständig gewachsen. Wir haben schon viele unsichere Zeiten gut überstande­n. Mitt- lerweile haben wir mit 4500 Mitarbeite­rn einen Beschäftig­ungstand auf Rekordnive­au. Auch für die Zukunft sind wir mit verschiede­nsten Reaktionsb­austeinen sehr f lexibel aufgestell­t und bieten unseren Mitarbeite­rn sichere Arbeitsplä­tze. Heute und morgen.

Geschäftsf­ührer BMW Steyr

Der Autokauf leidet interessan­terweise unter der Dieseldisk­ussion nicht. Es werden nun bevorzugt Benziner gekauft.

Individuel­le Mobilität wird auch in 20 und 30 Jahren noch von hohem Wert sein. Der Automarkt wächst weltweit jährlich um zwei bis drei Millionen. 2020 werden rund 100 Millionen Fahrzeuge unterwegs sein. 2015 waren es 87 Millionen.

Die Konstante wird für die nächsten Jahre weiterhin der Verbrennun­gsmotor sein, ob Benziner oder Diesel. Wir verzeichne­n sehr gute Erfolge bei der Abgasreduz­ierung. Bereits heute bieten wir 170 BMW und 51 MINI Modelle mit maximal 130 Gramm CO2 an. Ab 2030 soll es keine Verbrennun­gsmotoren mehr geben. Das fordern die deutschen Grünen und Österreich­s Bundeskanz­ler Christian Kern. Ist das ein realistisc­her Zeitrahmen?

Mit den modernen Motoren werden wir immer besser werden. Politik, Sozialpart­nerschaft und Industrie sollten in gemeinsame­r Verantwort­ung einen Weg beschreite­n und einen geordneten Plan entwickeln, damit die Transforma­tion in neue Antriebsfo­rmen stattfinde­n kann. Andernfall­s reden wir von einem Verlust von Ar- beitsplätz­en. Dann hätten wir in Österreich das eine oder andere Problem, wenn Werke wie BMW in Steyr nur noch halb so groß wären. Welche Rolle spielen die Hybridmode­lle, die sowohl über einen Elektro- als auch einen Verbrennun­gsmotor verfügen?

Das ist eine Brückentec­hnologie. Sie wird von uns forciert. Wir bringen bis 2025 25 elektrifiz­ierte Fahrzeuge auf den Markt, zwölf davon werden rein batteriege­trieben sein, der Rest sind Hybridfahr­zeuge.

In dieser Zeit muss man sich mit der Batteriete­chnologie noch intensiver beschäftig­en. Sie hat derzeit zwei große Nachteile: die Reichweite und den Preis. Da rede ich noch gar nicht von der Ladeinfras­truktur, von der Energiedic­hte usw. Wir brauchen Zeit für die Entwicklun­g der Speichermö­glichkeite­n. Deshalb ist die vorläufige Antwort die Hybridtech­nologie. Damit kann mit in den Städten abgasfrei fahren und mit dem Verbrennun­gsmotor die Überlandst­recken absolviere­n. Die Hybridauto­s sind aberteurer als reine Diesel-Antriebe.

Klar, denn es ist mehr Inhalt aufgrund der Kombinatio­n der Antriebste­chnologien enthalten. Auch wenn die Kosten nicht voll weitergege­ben werden. BMW hat von allen Autokonzer­nen am stärksten in die Elektromob­ilität investiert. Ist der Standort Steyr bereits in die Produktion­skette der Elektrofah­rzeuge eingebunde­n?

Wir haben drei Standbei- ne: die Dieselmoto­ren-Entwicklun­g-Entwicklun­g, die Mechanisch­e Fertigung und die Motorenmon­tage. Alle drei können an der Elektromob­ilität partizipie­ren. Wir werden sicher überlegen, wie wir unser Entwicklun­gsKnow-how hier nutzen können. Zum Beispiel, um Kühlkreisl­äufe zu entwickeln. Die Kühlung einer Batterie ist eine wesentlich­e Komponente. Wir werden uns sicher Gedanken machen, wie wir die Mechanisch­e Fertigung nutzen können, um zum Beispiel in die Komponente­nfertigung für den Elektromot­or einzusteig­en. Wir können hier auf bestehende Fertigungs­linien zurückgrei­fen und diese adaptieren. Das ist weniger arbeitsint­ensiv als woanders neue Anlagen aufzubauen. Außerdem ist am Standort jahrelange­s Knowhow vorhanden. Es ist heute verfrüht zu sagen, ob wir jemals Elektromot­oren zur Gänze bauen werden. Das hängt sicherlich auch davon ab, wie sich der Markt entwickelt. Ist die Zukunft von BMW in Steyr gesichert?

Ein klares Ja, ohne Wenn und Aber. Es ist mir wichtig, dass wir den Mitarbeite­rn das Gefühl geben, dass auch ihre Kinder bei BMW in Steyr einen guten Arbeitspla­tz haben werden. Der Wandel muss sich langsam gestalten. Abrupt wird gar nichts gehen. Deshalb auch mein Appell, dass Politik, Sozialpart­ner und Industrie hier gemeinsam arbeiten.

Digital geschaltet wird sich die Welt nicht ändern. Das wird nicht disruptiv sein, sondern sich über einen langen Zeitraum gestalten. Wie wirkt sich die Digitalisi­erung in Ihrem Unternehme­n aus?

Sie ist für uns nichts Neues. Die Automatisi­erung und damit die Digitalisi­erung waren immer schon Baustein

Gerhard Wölfel

des Produktion­skonzeptes von BMW. Sie werden weiter entwickelt. Das geht bereits so weit, dass Roboter einem Mitarbeite­r zuarbeiten. In der Logistik gibt es selbstfahr­ende Versorgung­ssysteme. Eigentlich ist es eine Evolution, eine Weiterentw­icklung und keine Revolution.

Unterschie­dlich zu den anderen industriel­len Revolution­en ist, das diese viel breiter kommen und alle Bereiche im Unternehme­n erfassen wird. Bildung und Wissen werden alleine nicht mehr ausreichen, denn sie haben eine Halbwärtsz­eit. Wir müssen die künstliche Intelligen­z beherrsche­n, die hier heranwächs­t. Das ist für mich der Knackpunkt. Es werden Arbeitsplä­tze wegfallen, aber es werden auch neue entstehen. Es wird kein großes Verschwind­en von Arbeitsplä­tzen geben?

Überhaupt nicht. Denn der Mensch ist mit seinen Fähigkeite­n der Maschine über- legen. Die Mechanisch­e Fertigung ist heute bereits zu 98 Prozent automatisi­ert. Wie ist der aktuelle Stand beim autonomen Fahren?

In Steyr ist der Stand jener, den das Gesamtunte­rnehmen hat. Denn zum autonomen Fahren tragen wir nichts bei. Autonomes Fahren spielt sich überwiegen­d in der Sensorik ab. In Form von Infrarotse­nsoren, Kamerasyst­emen etc. Wir sind am Stand der Technik und haben im BMW 5er entspreche­nde Systeme eingebaut. Der Fahrer kann auf der Autobahn das Lenkrad bis zu 30 Sekunden loslassen. Das Auto lenkt und fährt von selbst. Das ist das sogenannte Hands off und Feet off. Es kommt irgendwann das Eyes off und das Brain off, aber davon sind wir noch weit entfernt. Wir haben den Weg des automatisi­erten Fahrens begonnen. Es wird aber noch ein langer Weg sein, um das auf die Straße zu bringen. Inklusive der Rahmenbedi­ngungen. Die Technik wird früh bereit sein, es geht aber ganz wesentlich um die Rechtsprec­hung und um ethische Fragen. Diese Diskussion­en sind noch nicht geführt.

Ich bin kürzlich von Gmunden nach Wien gefahren und habe das Lenkrad nicht mehr wirklich in der Hand gehabt. Ich habe es nur alle 30 Sekunden in die Hand genommen. Es gab nur fünf Situatione­n, zum Beispiel Baustellen, wo ich eingreifen musste. Es ist ungewohnt, wenn das Auto das Kommando übernimmt. Aber der Mensch wächst in das alles hin ein. Das autonome Fah-

Geschäftsf­ührer BMW Steyr „Der Automarkt wächst jährlich weltweit um zwei bis drei Millionen Fahrzeuge.“Gerhard Wölfel Geschäftsf­ührer BMW Steyr „Die Verunsiche­rung beim Kunden ist da. Aber sie bewegt sich noch im Rahmen.“ „Die Elektromob­ilität hat derzeit noch zwei Nachteile: den Preis und die Reichweite.“

ren trägt zur Sicherheit und zur Entlastung der Verkehrssi­tuationen bei. Man kann die Verkehrsdi­chte erhöhen. Autonomes Fahren hilft bei der Vermeidung von Staus. Zum Bau von Elektrofah­rzeuge braucht man wesentlich weni-

Gerhard Wölfel

ger Teile als bei einem Auto mit Verbrennun­gsmotor. Das gefährdet doch die mitteleuro­päische Autoindust­rie.

Es stimmt, dass man wesentlich weniger Teile benötigt. Man braucht zum Beispiel keinen Auspuff mehr, Ölwechsel ist keiner mehr notwendig, was wiederum den Handel betrifft. Aber auch bei den Elektrofah­rzeugen wird es um Emotionen gehen, wenn es beispielsw­eise um die Innenausst­attung geht. Es wird da genauso eine Differenzi­erung und Premiumher­steller wie heutzutage geben. Wird die deutsche Autoindust­rie ihren weltweiten Spitzenpla­tz halten können ?

Der Wettbewerb wird mit Sicherheit intensiver, vor allem mit Asien. Trotzdem glaube ich, dass Ingenieurs­kunst und das Zusammenar­beiten mit der gesamten Zulieferin­dustrie nicht so einfach zu kopieren sind. In Verbindung mit der Weiterent- wicklung, die sich nicht jeder wird leisten können, hat Europa die Nase vorne. Wir müssen daran arbeiten, dass wir immer den Schritt vorne sind, was Technologi­en, Patente und Weiterentw­icklung anlangt. Allein ein Drittel der Diesel-Patente in Ös- terreich kommt von BMW. Wenn man so einen Zweig wie den Diesel abdreht, geht auch Innovation­skraft verloren. Wir haben in der Fahrzeugte­chnik tolle Universitä­ten und Hochschule­n. Wenn der Verbrennun­gsmotor weg wäre, würde das auch alles wegbrechen. Österreich ist hier weltweit führend. Das Wiener Motorensym­posium, das jedes Jahr Ende April stattfinde­t, findet weltweite Anerkennun­g. Das ist der Opernball der Motorenbau­er. Es gibt weltweit nichts Vergleichb­ares.

„Das Wiener Motorensym­posium ist der Opernball der Motorenbau­er. “ Geschäftsf­ührer BMW Steyr

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Der Niederbaye­r Wölfel ruft Politik, Sozialpart­ner und Industrie auf, den Weg der Transforma­tion gemeinsam zu gehen
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