Kurier

Der späte Charme des Garda

Italien. Wenn die Oliven grün, schwarz und prall an den Bäumen hängen und der See selbst Urlaub macht, lohnt sich eine Reise nach Norditalie­n.

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Flavio arbeitet für einen Energiekon­zern, montags bis freitags, doch am Wochenende wird er in seinem schönen Garten in Zignago di Brenzone zum Olivenbaue­r. Und die Olivenernt­e im November zählt nicht nur für Hobbygärtn­er wie ihn zum Höhepunkt des Jahres. Seine 25 Olivenbäum­e bringen durchschni­ttlich 250 Kilogramm Oliven, aus denen 50 Liter Öl gewonnen werden: unbehandel­t, goldfarbig und sehr aromatisch. „Am besten wird das Öl nach einem heißen und trockenen Sommer, auf den im Herbst noch einige regenreich­e Tage folgen“, sagt Flavio. Fast alle Oliven des Gardasees eignen sich weniger zum Verzehr, aber umso mehr zur Weitervera­rbeitung. Sie werden zu einem hervorrage­nden Öl verarbeite­t. Das ist bereits seit der Antike so.

Reizvoller Herbst

Den Lacus Benacus, den heutigen Gardasee, haben schon die römischen Dichter Catull und Vergil besungen. Und manchmal meint man, die Hälfte aller Gardasee-Urlauber von heute kannten Catull und Vergil persönlich. So lange reisen sie schon an ihr Urlaubszie­l. Papa und Mama der 1960er Jahre sind inzwischen Opa und Oma. Die Tochter war schon im Bauch ihrer Mutter am See und nach der Geburt die folgenden 34 Jahre, ehe sie – selbst schwanger – den Lago-Kreislauf weiter ankurbelt: Auch Klein-Lisa wird den See lieben lernen.

Das Komische daran: Alle kommen nur im Frühjahr und Sommer. Dabei bietet der Herbst und Winter Ristorante ohne Speisekart­en, weil der Wirt sagt, was es heute gibt, die Gardesana ist ohne Stau und man kann in dieser Zeit zuschauen, wie der See selbst Urlaub macht: Er erholt sich von Sonnencrem­e und Bikinis, Motorboote­n, Surfern, Kitern und all den Urlaubern, die ihn von Ostern bis Oktober belagern.

„Die Anfänge des GardaseeTo­urismus liegen ja im Winter“, sagt Oliver Mayr, der zusammen mit seinem Bruder das „Grand Hotel Fasano“in Gardone Riviera führt, das zu den besten SpaAdresse­n am See gehört. Das Hotel wurde schon 1888 gebaut, großzügig und elegant, in 1-ALage direkt am See, mit Marmorböde­n und Säulen, mit Wasserturm für fließendes Wasser in den Zimmern schon zu dieser Zeit. „Die zahlungskr­äftige Kundschaft dafür war ja da“, sagt Oliver und nennt Namen wie König Faruk von Ägypten, Kaiser Wilhelm II. und die österreich­ische Kaiserin Elisabeth. „Ob man es nun glaubt oder nicht: Um 1900 wurden bei uns winterlich­e Sonnenkure­n angeboten.“

Der schönste Ort der Welt

Der Humanist und Rechtswiss­enschaftle­r Agostino Brenzone legte schon weit davor schlüssig dar: „Der schönste Erdteil ist Europa, und davon ist Italien der schönste Teil, von Italien wiederum der Gardasee und an diesem San Vigilio. Ergo ist San Vigilio der schönste Ort der Welt.“Der Mann folgte seiner Argumentat­ion und ließ sich im 16. Jahrhunder­t seine Villa auf der kleinen Halbinsel San Vigilio zwischen Torri del Benaco und Garda bauen. Vorbeischa­uen lohnt sich.

Streben nach Qualität

Auch in Zignago scheint die Spätherbst-Sonne, wo Flavio zu Werke geht. „Handarbeit“, sagt er. „Die gesamte Arbeit, angefangen vom Pflücken über die Baumpflege und das Schlagen bis zum Sammeln mache ich komplett von Hand.“Zeltplanen decken den Platz unter den Bäumen ab. Mit Stöcken und einer Spezialzan­ge streift er die Oliven ab. Sie fallen auf die Planen und werden dort aufgesamme­lt. Danach geht’s gleich zur Genossensc­haft in die Frantoio, die Ölpresse. Denn es gilt die Regel der schnellst möglichen Verarbeitu­ng, damit das Olivenöl die höchste Qualität erreicht. Und wenn das erste frisch gepresste Öl tropft, strahlen Flavios Augen: Natives Olivenöl, Extra Vergine, die erste Kaltpressu­ng bei maximal 28 Grad Celsius – etwas besseres gibt es nicht. Die meist kleinen Ölpressen am See öffnen oft im Oktober und schließen schon vor Weihnachte­n. Aber in dieser Zeit laufen sie fast Tag und Nacht.

Drei Tage braucht Flavio mit des Nachbars Hilfe für seine 25 Bäume. Und abends, nach getaner Arbeit, gehen die beiden gerne in die Sauna. Meist ins „Aqualux“nach Bardolino: Es liegt am nächsten und spielt mit

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