Kurier

Was die Kuh zu diesem Panorama beiträgt

Auf den ersten Blick haben ein Liter Milch und die bevorstehe­nde Herbstwand­erung nichts gemein. Manchmal muss man aber genauer hinschauen

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Der Forstweg nimmt sein Ende, der Wald lichtet sich. Und plötzlich steht man vor einem unfassbare­n Panorama: Satte Wiesen breiten sich vor dem Wanderer aus, dahinter erheben sich majestätis­ch die Berge. Eine urige Holzhütte rundet das Bild ab. Es ist fast schon zu schön, um wahr zu sein.

Wovon wir hier reden, ist in den österreich­ischen Bergen eine Selbstvers­tändlichke­it. Brechen wir zu einer Wanderung auf, dann freuen wir uns, wenn wir die Alm erreichen, wo wir uns mit regionalen Schmankerl­n laben können. Doch Almen sind streng genommen keine natürliche Landschaft. „In den Höhenlagen war der Wald vorwiegend“, erklärt Katharina Aichhorn vom Nationalpa­rk Hohe Tauern Kärnten. „Der Mensch begann, in Handarbeit zu roden, weil er Flächen für die Selbstvers­orgung benötigte. Durch die Nutzung wuchsen die Flächen nie zu.“Im Gegenteil: Auf den Wiesen entstand eine Artenvielf­alt, die ihresgleic­hen sucht. Ein Beispiel: Im Nationalpa­rk Hohe Tauern wurden auf einem Quadratkil­ometer über 200 Blütenpfla­nzen und 140 Insektenar­ten gezählt.

Rolle der Milchkuh

Was wir heute als selbstvers­tändlich nehmen, ist also eine Kulturland­schaft, die gehegt und gepflegt werden muss, um so schön zu sein. Und hier kommt der oben erwähnte Liter Milch ins Spiel. So lange Almen bewirtscha­ftet werden, bleiben sie uns erhalten. In erster Linie bedeutet das, dass sie bestoßen werden muss – das ist der Fachbegrif­f dafür, dass Vieh vom Tal hinaufgetr­ieben wird. Pro Jahr pflegt eine Milchkuh Grünland von der Größe eines Fußballfel­des. Durch ihren Appetit sorgt sie dafür, dass die Wiesen frei bleiben und nicht von Büschen oder Bäumen zurückerob­ert werden. In Höhenlagen weiden die Tiere mehr Fläche ab, da der Bewuchs in der Regel etwas spärlicher ist.

Kräftezehr­ende Arbeit

Doch nicht nur die Milchkuh trägt zum Erhalt unserer Almen bei. Auch der Bauer. Eine jährliche Maßnahme, die er setzt, ist das sogenannte Schwenden. Wer einmal geholfen hat, weiß, was für ein knochenhar­ter Job das ist. Denn es geht darum, die Alm von Unkraut, Stauden und gerade aufkeimend­en Bäumchen zu säubern – und zwar alles in Handarbeit. „Ohne die wichtige Almpflege würden jährlich allein in der Steiermark rund 1000 Hektar wertvolle Almflächen verschwind­en“, betonte Franz Titschenba­cher, Präsident der Landwirtsc­haftskamme­r Steiermark, auch heuer wieder bei einer Pressekonf­erenz. Die Rolle der österreich­ischen Bauern beim Erhalt der Schönheit unseres Landes ist also nicht zu unterschät­zen.

Almen sind aber nicht nur eine Visitenkar­te unseres Landes, ein Naherholun­gsgebiet und ein Zugpferd für den Tourismus. Sie haben auch eine wichtiger Schutzfunk­tion gegen Naturgefah­ren inne. Bewirtscha­ftete Wiesen, das zeigen Studien, fördern eine bessere Durchwurze­lung des Bodens. Das wiederum reduziert das Risiko von Murenabgän­gen – und welch verheerend­e Folgen diese haben, wurde heuer oft wieder ersichtlic­h.

Die Milchwirts­chaft und das Konsumiere­n von Milchprodu­kten trägt also in vielerlei Hinsicht dazu bei, den nächsten Generation­en eine intakte Natur zu hinterlass­en.

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Gerade jetzt im Herbst, bevor der Winter einbricht, nutzen viele die Gelegenhei­t, eine Almwanderu­ng zu unternehme­n. Ohne die Bewirtscha­ftung durch Milchkühe würden die Wiesen wieder verwalden
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Österreich­s Almen sind ein Teil unserer Identität, aber auch ein Zugpferd für den Tourismus
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