Der scharfe Verstand sauberste Antrieb“
Schlauer Freund. Die kognitiven Fähigkeiten der treuen Begleiter blieben von der Wissenschaft lange unbeachtet – zu unrecht. Wiener Forscher beweisen in einem eigenen Labor, wie clever Hunde wirklich sind.
Treuer Begleiter, bester Freund, manchmal sogar Kinderersatz: Etwa 20.000 bis 40.000 Jahre ist es her, seit der Hund vom Menschen domestiziert wurde. Wann und wo die Entwicklung genau begann, ist nach wie vor umstritten. Sicher ist, dass sich der Haushund, wie wir ihn heute kennen, vom Wolf über Generationen hinweg genetisch immer weiter entfernt – und dem Menschen emotional immer mehr genähert hat. So weit, dass einige Hundebesitzer mit ihrem Vierbeiner fast alles teilen. Oft sogar das Bett. Aber was denkt sich eigentlich der Hund dabei?
Das galt aus wissenschaftlicher Sicht lange Zeit als uninteressant. Kognitionsforscher haben lieber mit wilden, exotischen Tieren gearbeitet. Sie beobachteten Schimpansen, Kolkraben oder Blaumeisen – nicht aber das Verhalten jener, die in den eigenen vier Wänden leben. „Mit dem Häuslichwerden des Tieres haben sich auch seine kognitiven Fähigkeiten verändert – und diese wurden sicherlich unterschätzt“, erklärt Ludwig Huber, der im Messerli Instititut an der Veterinärmedizinischen Universität Wien forscht. „Der Hund galt als zu anthropomorphisiert, also als zu vermenschlicht“– und war damit nicht spannend genug für die Forschung.
Erst vor etwa dreißig Jahren begannen sich Forscher dem Verhalten des Hundes in Studien anzunähern. Seitdem weiß man: Der Vierbeiner kann viel mehr als blinde Treue. Was genau, wird im Clever Dog Lab im 21. Bezirk in Wien erforscht. Ziel ist es, mehr über die kognitiven und emotionalen Fähigkeiten zu erfahren: „Man muss sich an- schauen, wo die besonderen Fähigkeiten der Tiere liegen und was der adaptive Wert dieser ist, um sie mit anderen vergleichen zu können“, erklärt Huber.
Wie sich Hunde in verschiedenen Situationen verhalten, wird bei Experimenten erkundet – Versuchstiere gibt es aber keine: Die Hunde kommen mit ihrem Besitzer ins Labor. Geforscht wird zur Wahrnehmung, zum physikalischen, kausalen technischen und sozialen Verständnis. Aber auch dazu, wie Hunde mit Menschen oder anderen Tieren interagieren.
Zufälliges Versuchstier
Seit acht Jahren arbeitet Kognitionsforscher Ludwig Huber am Messerli Institut mit Hunden. Mittlerweile finden in den fünf Testräumen des Clever Dog Lab täglich Versuche statt.
Die Idee, ein eigenes Hundelabor einzurichten, entstand zufällig: Eigentlich wollten die Wissenschaftler zum Thema Imitation mit Affen forschen – doch der Hund einer Mitarbeiterin kooperierte besser. „Wir haben festgestellt, wie eifrig und gut der Hund mit seiner Schnauze auf dem Touchscreen arbeitet“, so Huber.
Heute wissen die Forscher, dass das beliebte Haustier noch viel mehr kann. Die Perspektive seines Gegenübers einnehmen und so Wissenszustände interpretieren, zum Beispiel. Das ergab eine Studie des Clever Dog Lab im April 2017. Hunde konnten dabei nicht sichtbares Futter finden, indem sie Hinweise durch Blicke von Menschen richtig interpretierten, als sie deren Position einnahmen.
In einem weiteren Experiment wurde untersucht, ob Hunde das Verhalten ihrer Artgenossen verstehen, bevor sie es imitieren. Die Wissenschaftler gaben dafür manchen Tieren einen Ball, anderen nicht. Jene, die durch den Ball ihre Schnauze nicht verwenden konnten, mussten die Pfote benützen, um an Futter zu kommen. „Der beobachtende Hund musste den Unterschied zur eigenen Situation verstehen, bevor er handelte. Das ist nicht ganz trivial.“
Aber geht es dem Hund bei den Experimenten nicht nur um die Belohnung, das Futter? Nicht bei den logischen Denk- aufgaben, versichert Huber: „Logik kann nicht durch Training oder Konditionierung erarbeitet werden. Hier geht es um Schlussfolgerungen.“
Intelligenzfaktoren
Wie klug die Vierbeiner tatsächlich sind, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Auf dem geistigen Niveau eines zweieinhalbjährigen Kindes, wie der Psychologe Stanley Cohen vor Jahren annahm, befinden sich Hunde laut Huber aber nicht: „Das kann nicht so beurteilt werden. Es gibt keine IQTests für Hunde.“Wie schlau ein Tier ist, hänge vor allem auch von „individuellen, ontogenetischen Fähigkeiten – also, wie ein Hund aufwächst – ab“. Mit der Rasse, wie oft angenommen, hat das wenig zu tun.
Ein weiterer Trugschluss sei, dass der Hund aufgrund seines ausgeprägten Geruchssinns schlecht sehe. 2015 wurde in Japan eine Studie durchgeführt, die zeigt: Hun- de könnten ihre Blicke sogar bewusst einsetzen. Die Wissenschaftler stellten einen Zusammenhang zwischen der Dauer des Blickkontakts von Menschen und ihren Hunden und dem Ausstoß des Bindungshormons Oxytocin im menschlichen Gehirn fest.
Erstaunlich: Werden Blicke lange ausgetauscht, sind die Emotionen in ihrer Intensität mit jenen vergleichbar, die Eltern beim Blickkontakt mit ihren Kindern fühlen. Eine mögliche Erklärung, warum die MenschHund-Beziehung so intim ist – und vielleicht ein Manipulationsversuch der Tiere, um im Bett schlafen zu dürfen.
„Mit dem Häuslichwerden des Hundes haben sich auch seine kognitiven Fähigkeiten verändert.“ Univ.-Prof. Ludwig Huber Kognitionsbiologe, Vetmeduni Wien