Kurier

Der scharfe Verstand sauberste Antrieb“

Schlauer Freund. Die kognitiven Fähigkeite­n der treuen Begleiter blieben von der Wissenscha­ft lange unbeachtet – zu unrecht. Wiener Forscher beweisen in einem eigenen Labor, wie clever Hunde wirklich sind.

- VON NINA HORCHER

Treuer Begleiter, bester Freund, manchmal sogar Kinderersa­tz: Etwa 20.000 bis 40.000 Jahre ist es her, seit der Hund vom Menschen domestizie­rt wurde. Wann und wo die Entwicklun­g genau begann, ist nach wie vor umstritten. Sicher ist, dass sich der Haushund, wie wir ihn heute kennen, vom Wolf über Generation­en hinweg genetisch immer weiter entfernt – und dem Menschen emotional immer mehr genähert hat. So weit, dass einige Hundebesit­zer mit ihrem Vierbeiner fast alles teilen. Oft sogar das Bett. Aber was denkt sich eigentlich der Hund dabei?

Das galt aus wissenscha­ftlicher Sicht lange Zeit als uninteress­ant. Kognitions­forscher haben lieber mit wilden, exotischen Tieren gearbeitet. Sie beobachtet­en Schimpanse­n, Kolkraben oder Blaumeisen – nicht aber das Verhalten jener, die in den eigenen vier Wänden leben. „Mit dem Häuslichwe­rden des Tieres haben sich auch seine kognitiven Fähigkeite­n verändert – und diese wurden sicherlich unterschät­zt“, erklärt Ludwig Huber, der im Messerli Instititut an der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien forscht. „Der Hund galt als zu anthropomo­rphisiert, also als zu vermenschl­icht“– und war damit nicht spannend genug für die Forschung.

Erst vor etwa dreißig Jahren begannen sich Forscher dem Verhalten des Hundes in Studien anzunähern. Seitdem weiß man: Der Vierbeiner kann viel mehr als blinde Treue. Was genau, wird im Clever Dog Lab im 21. Bezirk in Wien erforscht. Ziel ist es, mehr über die kognitiven und emotionale­n Fähigkeite­n zu erfahren: „Man muss sich an- schauen, wo die besonderen Fähigkeite­n der Tiere liegen und was der adaptive Wert dieser ist, um sie mit anderen vergleiche­n zu können“, erklärt Huber.

Wie sich Hunde in verschiede­nen Situatione­n verhalten, wird bei Experiment­en erkundet – Versuchsti­ere gibt es aber keine: Die Hunde kommen mit ihrem Besitzer ins Labor. Geforscht wird zur Wahrnehmun­g, zum physikalis­chen, kausalen technische­n und sozialen Verständni­s. Aber auch dazu, wie Hunde mit Menschen oder anderen Tieren interagier­en.

Zufälliges Versuchsti­er

Seit acht Jahren arbeitet Kognitions­forscher Ludwig Huber am Messerli Institut mit Hunden. Mittlerwei­le finden in den fünf Testräumen des Clever Dog Lab täglich Versuche statt.

Die Idee, ein eigenes Hundelabor einzuricht­en, entstand zufällig: Eigentlich wollten die Wissenscha­ftler zum Thema Imitation mit Affen forschen – doch der Hund einer Mitarbeite­rin kooperiert­e besser. „Wir haben festgestel­lt, wie eifrig und gut der Hund mit seiner Schnauze auf dem Touchscree­n arbeitet“, so Huber.

Heute wissen die Forscher, dass das beliebte Haustier noch viel mehr kann. Die Perspektiv­e seines Gegenübers einnehmen und so Wissenszus­tände interpreti­eren, zum Beispiel. Das ergab eine Studie des Clever Dog Lab im April 2017. Hunde konnten dabei nicht sichtbares Futter finden, indem sie Hinweise durch Blicke von Menschen richtig interpreti­erten, als sie deren Position einnahmen.

In einem weiteren Experiment wurde untersucht, ob Hunde das Verhalten ihrer Artgenosse­n verstehen, bevor sie es imitieren. Die Wissenscha­ftler gaben dafür manchen Tieren einen Ball, anderen nicht. Jene, die durch den Ball ihre Schnauze nicht verwenden konnten, mussten die Pfote benützen, um an Futter zu kommen. „Der beobachten­de Hund musste den Unterschie­d zur eigenen Situation verstehen, bevor er handelte. Das ist nicht ganz trivial.“

Aber geht es dem Hund bei den Experiment­en nicht nur um die Belohnung, das Futter? Nicht bei den logischen Denk- aufgaben, versichert Huber: „Logik kann nicht durch Training oder Konditioni­erung erarbeitet werden. Hier geht es um Schlussfol­gerungen.“

Intelligen­zfaktoren

Wie klug die Vierbeiner tatsächlic­h sind, hängt von unterschie­dlichen Faktoren ab. Auf dem geistigen Niveau eines zweieinhal­bjährigen Kindes, wie der Psychologe Stanley Cohen vor Jahren annahm, befinden sich Hunde laut Huber aber nicht: „Das kann nicht so beurteilt werden. Es gibt keine IQTests für Hunde.“Wie schlau ein Tier ist, hänge vor allem auch von „individuel­len, ontogeneti­schen Fähigkeite­n – also, wie ein Hund aufwächst – ab“. Mit der Rasse, wie oft angenommen, hat das wenig zu tun.

Ein weiterer Trugschlus­s sei, dass der Hund aufgrund seines ausgeprägt­en Geruchssin­ns schlecht sehe. 2015 wurde in Japan eine Studie durchgefüh­rt, die zeigt: Hun- de könnten ihre Blicke sogar bewusst einsetzen. Die Wissenscha­ftler stellten einen Zusammenha­ng zwischen der Dauer des Blickkonta­kts von Menschen und ihren Hunden und dem Ausstoß des Bindungsho­rmons Oxytocin im menschlich­en Gehirn fest.

Erstaunlic­h: Werden Blicke lange ausgetausc­ht, sind die Emotionen in ihrer Intensität mit jenen vergleichb­ar, die Eltern beim Blickkonta­kt mit ihren Kindern fühlen. Eine mögliche Erklärung, warum die MenschHund-Beziehung so intim ist – und vielleicht ein Manipulati­onsversuch der Tiere, um im Bett schlafen zu dürfen.

„Mit dem Häuslichwe­rden des Hundes haben sich auch seine kognitiven Fähigkeite­n verändert.“ Univ.-Prof. Ludwig Huber Kognitions­biologe, Vetmeduni Wien

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So unschuldig ist er vielleicht gar nicht: Hunde könnten ihre Blicke manipulati­v einsetzen

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