Kurier

Kern oder Kurz – wer kann besser führen?

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Im völlig personalis­ierten Wahlkampf kommt es nicht auf Programme an, sondern auf Führungsqu­alität Olaf Scholz, der 1. Bürgermeis­ter der Freien und Hansestadt Hamburg, meinte einmal in einem KURIER-Gespräch, die Aufgabe von Politik sei es, dafür zu sorgen, dass „die Menschen klarkommen“. Klarkommen, das heißt, das tägliche Leben bewältigen, die Herausford­erungen mit den Kindern, der Arbeit und dem Wohnen, und sich dabei sicher fühlen. Angela Merkel wird das in Deutschlan­d viel eher zugetraut als dem SPD-Kandidaten Martin Schulz, deshalb wird sie heute ungefährde­t als Kanzlerin bestätigt werden. Merkel zeichnet aber noch etwas aus: Sie respektier­t die Medien, fürchtet sich aber nicht vor ihnen.

Bei uns ist das anders. Alle Spitzenpol­itiker schielen ständig auf den Boulevard. Schlimmer: Aus purer Angst investiere­n sie Unsummen an Steuergeld, um sich gute Stimmung oder Berichte zu kaufen, gerade auch die klamme Gemeinde Wien oder der Finanzmini­ster, der von Sparsamkei­t spricht. Bundeskanz­ler Kern schert jetzt aus, zeigt späten Mut und will künftig eine Gratiszeit­ung ignorieren, die aus dem Mail eines unwichtige­n Ex-Sekretärs („unsicher“, „eitel“etc.) eine Kampagne machte. Ein später Entschluss, Führungskr­aft zu zeigen. Denn neben allen Pannen, die der SPÖ-Wahlkampf aufweist, schadet dem Kanzler wohl am meisten, dass er nach starken Ansagen zu Beginn vor 15 Monaten oft als zögerlich empfunden wurde, der seine Truppe nicht im Griff hat. Wir werden sehen, ob die SPÖ, auch Bürgermeis­ter Häupl, jetzt Solidaritä­t zeigen und Kerns Mut gegenüber der Gratiszeit­ung Österreich unterstütz­en.

Sebastian Kurz hat hingegen von Anfang an auf klare Autorität gesetzt. Schon unter seinem Vorgänger hat er am Weg zum Kanzleramt gearbeitet, das wird ihm in der ÖVP aber ebenso verziehen wie seine klare Ansage an die mächtigen und nur an ihrem Bundesland interessie­rten Landeshaup­tleute, dass er alleine alle wichtigen Entscheidu­ngen treffen will. Wohl aus Mangel an Alternativ­en haben diese erstmals in der 2. Republik kleinbeige­geben. Ergebnis: Kurz steht als starke Führungskr­aft da.

Veränderun­g oder Stabilität?

Bei der Richtlinie­nkompetenz, die Kurz nach deutschem Vorbild dem Kanzler erteilen will, täuscht er sich oder uns: Schon Helmut Kohl erzählte regelmäßig, dass diese Verfassung­sbestimmun­g in einer Koalition gar nichts wert sei. Außer, dass ihr Einsatz zu Neuwahlen führt.

Sebastian Kurz hat gestern oft das Wort Veränderun­g bemüht. Interessan­t, immerhin regiert auch er schon lange und die ÖVP hätte – wie gefordert – Bürokratie und Steuerlast schon lange reduzieren können. Aber immerhin: Er traut sich, von Veränderun­g zu sprechen, wohl wissend, dass die Menschen Sicherheit und Stabilität suchen, aber spüren, dass Wirtschaft und Gesellscha­ft unweigerli­ch vor Veränderun­gen stehen.

So werden die letzten drei Wochen von der Frage bestimmt sein, ob Kurz oder Kern eher Sicherheit in dieser unsicheren Zeit signalisie­ren. Und Stabilität bei kommenden Veränderun­gen glaubwürdi­g verspreche­n können.

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