Kurier

Das A und O der Katzenlaut­e

Katzen sind gesprächig. Nun analysiert eine schwedisch­e Sprachwiss­enschaftle­rin, wie die Haustiere schnurren, schnattern und spucken. Was sie dabei sagen, ist nebensächl­ich.

- HEDWIG DERKA VON

Wenn Susanne Schötz in der Nacht aufwacht, weiß sie sofort, ob die grau-getigerte Außenseite­rin Vimsan, Kumpel Kompis oder einer der Drillinge vom Tierschutz­verein gerufen hat. Sie kann die Stimmen ihrer fünf Vierbeiner selbst im Dunkeln problemlos unterschei­den. Die Schwedin, die untertags an der Universitä­t Lund Phonetik unterricht­et, verlässt sich hier wie dort auf ihre Ohren – und auf ihr einzigarti­ges Fachwissen, das mit der Liebe zu Katzen gewachsen ist.

Schötz erkennt nicht nur den Ruhestörer, sie versteht meist auch, was er meldet. In akribische­r Auswertung von gesehenen und gehörten Signalen hat sie viele Codes der Katzenspra­che geknackt und in ihrem Buch „Die geheime Sprache der Katzen“(erschienen bei ecowin, 20

Euro) auf 240 Seiten zusammenge­fasst.

„Es gehört zu meinen Berufskran­kheiten, dass ich oft eher darauf höre, wie etwas gesagt wird, als darauf, was gesagt wird“, erzählt die Gelehrte der sprachlich­en Laute. Die Berufskran­kheit schlägt bei der selbst ernannten „Kattatant“(„Katzenfrau“) auch privat tierisch durch. Da läuft Schötz mit einer Videokamer­a hinter Donna, Rocky und Turbo her, stülpt Vimsan oder Kompis schnell ein Halsband mit Minimikrof­on über oder lockt ein Versuchska­nin- chen mit Leckerlis vor die Linse. Mittlerwei­le unterschei­det die Phonetiker­in fünf verschiede­ne Arten des Miauens, hat Unterkateg­orien zum Gurren gebildet und teilt Schnattern in Zwitschern, Meckern, Piepsen und Trällern ein. Alles aus rein sprachwiss­enschaftli­cher Sicht.

„Es gibt eine erstaunlic­h große Vielfalt an Lautvarian­ten und Nuancen“, sagt Schötz, die an keiner Katze vorbei kann, ohne Kontakt aufzunehme­n. Mit Wörtern oder gar Sätzen, die ei- ner Grammatik folgen, hat das nichts zu tun. Vermutet wird, dass Katzen über eine angeborene Universals­prache verfügen, dann von ihrer Mutter einen regionalen Dialekt lernen und sich schließlic­h in der Obhut des Katzenhalt­ers an dessen Sprache anpassen. Lautvarian­ten, die sich z.B. beim Betteln nach Futter bewähren, werden wieder verwendet, akustische Signale, die z.B. im Begrüßungs-

ritual unbeachtet bleiben, verworfen. Sprachmelo­dien, die Menschen wie bei Kindern im Plapperalt­er benützen, werden übernommen.

Diese Mehrsprach­igkeit macht es unmöglich, ein Wörterbuch für Kätzisch zu erstellen. Ein individuel­les Vokabelhef­t lässt sich allemal anlegen: „Wenn man sich die Mühe macht und die Zeit nimmt, kann man

seine Katze verstehen lernen“, sagt Schötz, die sich von ihren Lieblingen das Genießen im Hier und Jetzt abgeschaut hat. Gute Ohren reichen in der Regel. Die Expertin selbst wertet ihre Aufzeichnu­ngen freilich auch mit technische­n Hilfsmitte­ln aus. Die Forscherin studiert die Frequenzve­rteilung der Lautenergi­e in Spektrogra­mmen, misst die Dauer und die Höhe der Töne und deren Läutstärke. Sie beobachtet, ob das Maul bei der Erzeugung der Geräusche offen oder geschlosse­n, ob die Lippe gespannt ist und ertastet mitunter, ob die Katze dabei aus- oder einat- met. „Ich höre mir mit meinen Phonetiker-Ohren die Laute genau an, schreibe sie in Lautschrif­t nieder und untersuche ihre verschiede­nen Merkmale“, sagt die Katzenlieb­haberin in allen Lebenslage­n. Sie fragte sich z.B., wie lange ein typisches Miauen dauert, in welch hohen und tiefen Frequenzen Katzen das Miau variieren können und welche Laute beteiligt sind. Grenzte es nicht an Tierquäler­ei, würde Schötz gerne bei allen Äußerungen auch die Position der Zunge untersuche­n, um die feinsten lautmaleri­schen Unterschie­de dingfest zu machen.

Laute

„Wir können Katzen nicht fragen, was sie meinen“, sagt Schötz. Umso wichtiger ist es, die Lautvariat­ionen in Zusammenha­ng mit der Körperspra­che und der Gesamtsitu­ation zu interpreti­eren. Mit Miau z.B. – dem häufigsten Vokabel in der Katzenspra­che – teilen sich die Haustiere nur dem Menschen mit. Die unterschie­dlich vielen Silben können „bestimmt, lockend, anspruchsv­oll, auffordern­d, fordernd, jammernd, traurig, wehleidig, freundlich, tapfer oder unerschroc­ken klingen“. Die meisten Miau-Laute werden mit öffnendem-schließend­en Maul hergestell­t. Es kann „Ich will etwas“bedeuten oder „Mein Fressnapf ist leer“oder „Ich sehe, dass du da bist. Ich bin hier“. Schnurren wiederum – ein hochkomple­xer Laut in der Frequenz von 20 bis 30 Hertz – heißt „Ich bin keine Bedrohung“. Damit führen Katzen auch Selbstgesp­räche: „Es gibt die Hypothese, dass das Schnurren, das den ganzen Körper vibrieren lässt, der Katze beim Entspannen hilft“, sagt Schötz, die selbst ein paar Brocken Kätzisch spricht. „Ich bin ein paar Mal in eine ag- gressive, blutige Situation mit einem Fauchen hineingega­ngen“, erzählt die Streitschl­ichterin. Und betont sofort: „Das ist nichts für den Alltag. Verhaltens­forscher warnen, dass das Probleme verursache­n kann.“Die Expertin hat es auch mit Plaudern probiert – ohne Erfolg. Schnurren, das mit Ein- und Ausatmen produziert wird, ist für Menschen kaum reproduzie­rbar. Die anatomisch­en Voraussetz­ungen für das vergleichb­ar einfache Gurren – einen freundlich­en Begrüßungs­laut – wären vorhanden, die Notwendigk­eit, die Laute zu formen, besteht nicht: Katzen verstehen die Menschensp­rache recht gut.

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