Kurier

Alles weglächeln

Die CDU ist lädiert, die Kanzlerin angezählt. Doch sie macht das Gleiche wie immer – sie macht weiter

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Eine Million Menschen. Gut, das ist nur ein Sechzigste­l aller Wähler, kann man sich denken. Aber das sind auch knapp neun Prozentpun­kte weniger Wähler als 2013. Das ist ganz schön viel.

Aber macht nix. Besser lächeln, lächeln, lächeln.

Immer weiter so

Als Angela Merkel am Sonntag auf der Bühne des Konrad-Adenauer-Hauses steht, könnte man meinen, alles ist wie immer. Sie hat ihre Hände zur Raute geformt, hinter ihr das CDU-Präsidium, und alle schauen eigentlich ganz zufrieden aus: Ja, freilich, die 33 Prozent, da hätte man sich schon ein „ein wenig besseres Ergebnis erhofft“, sagt sie, und ihre Mundwinkel gehen wie auf Befehl nach oben. Denn dann kommt: Das „strategisc­he Ziel haben wir erreicht.“Heißt: Platz eins, weiterregi­eren, weiter so.

Dass das nicht stimmt, dass es nicht so weitergehe­n kann mit dem „Weiter so“, das wissen sie hier aber genau. Merkel, die scheinbar Unantastba­re, ist angekratzt – es war, wie sie selbst vor einem Jahr sagte: ihre „schwierigs­te Wahl“. Das ist zwar nach zwölf Jahren im Amt nicht gerade überrasche­nd, klar, aber dass sich das in einem derart radikalen Protestruf kanalisier­en würde, das hat hier schon viele erschütter­t: Platz drei für die AfD im Land, Platz zwei im Osten; ja das sitzt.

Wie damals Kohl

„Das muss ihre letzte Amtszeit sein“, sagt dann auch Julian Däuble, Brille, Anzug; er ist gerade mal 18; „es ist Zeit für neue Gesichter“, sagt Jakob Bonasera daneben. Beide sind aus Baden-Württember­g, sind Jung-CDUler, und sie haben auch noch nie eine anderen Person im Kanzleramt gesehen als Angela Merkel: Ja, natürlich sei sie eine gute Kanzlerin, sagen sie, aber man darf Helmut Kohl jetzt nicht wiederhole­n.

Auch bei vielen anderen Enttäuscht­en, die hier nach dem Ergebnis noch mit Wein und Bier stehen, kommt genau das: Ja, irgendwie erinnere das schon an den Alten, heißt es da; dass sie sie die Ewige nennen, wie einst ihn, verheißt da nichts Gutes: Zwölf Jahre ist sie jetzt Kanzlerin, seine 16 Jahre schafft sie, wenn sie die nächste Periode voll durchmacht.

Dass da schon einige in der Startlöche­rn scharren, ist nur logisch. Doch Merkel hat, und auch da gibt es wieder Parallelen mit Kohl, alle auf die Plätze verwiesen: Wolfgang Schäuble, schon unter Kohl der ewige Zweite, ist ob seines Alters nicht mehr kanzlerfäh­ig, Ursula von der Leyen fehlt die Basis in der Partei, und junge Wilde wie den rechtskons­ervativen Jens Spahn hat sie in die ganz hintere Reihe verbannt.

Doch die Lage jetzt ist anders, das kann man nicht verhehlen. Bei Kohl war es Merkel, die ihn stürzte, und er hatte sich angreif bar gemacht. Bei ihr ist es eine Kraft von außen, die sie wanken lässt: Der ewig gleiche, immer kreischend­e „Merkel muss weg“-Ruf, den die AfD für sich reklamiert, der aber schon lange vor der Partei hier war, der seine Gründe in der Unsicherhe­it vieler hat, die zwar einen Job, aber keine Zukunft haben; und vielleicht auch im fehlenden Reden über das, was mit Deutschlan­d gerade passiert.

Merkel hat ihn stets weggeläche­lt, diesen Ruf, auf allen Stationen ihres Wahlkampfe­s; sie hat die Tomaten, die auf die Bühne flogen, nur mit Interesse inspiziert. Zurückgeru­fen hat sie nie, zumindest nicht voller Emotionen: Sie hat gerügt wie eine Lehrerin, mehr nicht.

Was ist gute Politik?

Vielleicht ist es deshalb so irritieren­der, dass sie am Sonntag auf der Bühne steht und wieder alles weglächelt. Ja, manwerde sich bemühen, die Wähler der AfD zurückzuge­winnen, sagt sie am Ende; und das mit einer „guten Politik“. Viele wollen das hier glauben, aber nicht nur einer hüstelt bei diesem Satz.

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Bei ihrem Auftritt wurde gejubelt, und auf der Bühne regierte die Zuversicht – so sanft wird es für Angela Merkel aber wohl in den kommenden Monaten nicht weitergehe­n
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Merkel und Schulz bei der traditione­llen TV-Diskussion nach der Wahl

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