„Wenn die einen hätten wie Haider ...“
Riesenjubel bei der Feier im Nachtclub Traffic, Entsetzen bei den Demonstranten vor der Tür
„Deutschland, Deutschland über alles“, skandieren die Anhänger der AfD nur wenige Sekunden, nachdem die ersten Prognosen zum Wahlausgang über die TV-Schirme gelaufen sind. Es ist die erste, offiziell nie gesungene Strophe der deutschen Bundeshymne (gesungen wird heute die unter den Nazis verbotene dritte). Mit gut 13 Prozent zieht die AfD erstmals in den Bundestag ein.
Die Partei hat Anhänger und Journalisten in den Berliner Nachtclub Traffic unweit des Alexanderplatzes zur Wahlparty geladen. Spitzenkandidat Alexander Gauland setzt kurz nach 18 Uhr zur ersten Rede an. Er kündigt unter großem Jubel an, dass man „Merkel in der Regierung jagen wird“und sich „jetzt die Heimat und das Volk wieder zurückholen“werde. Ein einfaches AfD-Mitglied, wie er sich nennt, spricht von einer neuen Ära in Deutschland, die jetzt beginne. Früher habe er die FDP gewählt, sagte er, aber die Flüchtlingswelle habe ihn zum AfD-Mitglied werden lassen. Dass die Partei rechtsnationales Gedankengut transportiere, störe ihn dabei weniger, sagt er. „Rechts und national, das passt doch wunderbar zusammen.“
„Eine Schande“
Draußen vor dem Club protestieren unterdessen unter großem Polizeiaufgebot rund 300 bis 400 Demonstranten. „Nazis raus“, hört man immer wieder. „Es ist eine Schande“, sagt ein älterer aufgebrachter Herr. „Die Regierung hat nicht verstanden, was die Leute im Land wirklich bewegt.“– „Merkel hat das Flüchtlingsthema kom- plett ausgeblendet, sie ist mitverantwortlich für den Aufstieg der AfD“, mischt sich ein junger Student ein.
Dass künftig mehr als 80 rechtsnationale Abgeordnete, darunter ihr Spitzenkandidat Gauland, der die „Leistungen deutscher Soldaten“im Ersten und Zweiten Weltkrieg lobte, im Bundestag sitzen, betrachten Beobachter für das geschichtlich vorbelastete Deutschland als einen politischen Supergau. „Auch wir in Frankreich haben seit Jahren die extreme Rechte mit Le Pen, aber Deutschland war und ist ein spezieller Fall. Das ist ein Tabubruch“, analysiert der Korrespondent eines französischen TV-Senders.
Wie sich die politische Arbeit im Bundestag mit der AfD künftig zeigen wird, können sich die Demonstranten am Alexanderplatz kaum vorstellen. „Sie werden sich im Bundestag in ihrer Schmuddelecke einrichten und Radikalopposition betreiben“, befürchtet eine junge Ostberlinerin, die nicht verhehlt, die Linken gewählt zu haben.
Diskoklänge
Kurz vor 19 Uhr zieht unter Diskoklängen die Spitzenkandidatin Alice Weidel in den Nachtclub. Der Jubel hält sich überraschenderweise in Grenzen, vielleicht weil Weidel eher moderate Töne anklingen lässt und ankündigt, mit Demut in den Bundestag gehen zu wollen.
Draußen sinniert später ein Demonstrant, dass man eigentlich auch froh sein müsse, dass die Rechten keine Persönlichkeit an der Spitze haben. „Das sind doch lauter Luschen, die die haben“, sagt er. „Wenn die einen hätten, wie früher euer Haider in Österreich einer war, dann wären die heute bei über 30 Prozent.“