Kurier

„Ich habe großes Glück gehabt“

Burgenland. Masihullah Azami (20) macht eine Lehre in Eisenstadt

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Auf dem Tisch sind Pläne von Kanal- und Straßenpro­jekten ausgebreit­et. Darüber gebeugt, mit konzentrie­rtem Blick, Masihullah Azami und sein Chef Gottfried Kolbe. Azami macht im Zivilingen­ieurbüro Bichler & Kolbe die Lehre mit Matura zum bautechnis­chen Zeichner und befindet sich bereits im zweiten Jahr.

Der 20-Jährige stammt aus Afghanista­n. Im Dezember 2013, mit 16 Jahren, ist er allein nach Österreich gekommen. Seine Eltern und die vier Geschwiste­r hat er seither nicht mehr gesehen. Nach Stationen in Wien, Traiskirch­en und Neudörfl lebt er seit Beginn der Lehre in Eisenstadt. „Ich habe großes Glück gehabt. Die Leite- rin vom Flüchtling­sheim Sarah in Neudörfl hat mir diese Lehrstelle besorgt und Herr Kolbe hat mich genommen“, erzählt der 20-Jährige.

Eigentlich habe er eine Lehre im EDV-Bereich gesucht, doch dann habe sich diese Stelle ergeben und heute ist er dankbar dafür. „Als ich gefragt wurde, ob wir Masih als Lehrling nehmen, war es kein Thema für uns. Es ist bereits das dritte Mal, dass wir einen Flüchtling ausbilden“, erklärt Geschäftsf­ührer Kolbe.

Vier Tage in der Woche arbeitet der junge Afghane seither im Büro. „Im März habe ich mit der Matura begonnen, daher bin ich jeden Freitag im Wifi.“Neben der Lehrstelle hat ihm sein Chef auch eine Wohnung in Eisenstadt besorgt.

„Ich mache nicht nur die Lehre, sondern lerne auch viel über die Kultur, wie man sich in Österreich verhalten soll“, sagt Azami. Als er von Zuhause weg ging, gab ihm sein Vater mit auf den Weg, dass er von nun an „europäisch denken“müsse.

Tabu Mindestsic­herung

„Ich mag die Stadt, habe auch Freunde gefunden und bin in Kleinhöfle­in im Tischtenni­sverein. Aber es ist manchmal schwierig, weil viele Vorurteile gegenüber Afghanen haben“, sagt Azami. Er müsse langsamer sprechen, ermahnt ihn sein Chef, obwohl er nahezu fehlerfrei Deutsch spricht. „Es geht um die Zent- ralmatura. Dafür muss sein Deutsch perfekt sein“, betont Kolbe, der auch in seiner Freizeit mit Azami dafür lernt.

Das Ziel sei, dass er mit 24 Jahren den Status eines Österreich­ers hat – ein junger Mann mit fertiger Berufsausb­ildung, der mit eigenen Beinen im Leben steht. „Was ich ihm von Anfang an immer ge- sagt habe, ist ,Hände weg von Drogen und der Mindestsic­herung’“, betont Kolbe – und Azami nickt. „Das will ich auch nicht.“

Zu guter letzt betont Kolbe, dass es nicht nur sein Verdienst sei, sondern viele dazu beigetrage­n haben, dass sich Masih – wie er ihn nennt – gut integriert hat.

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Masihullah Azami mit seinem Chef Gottfried Kolbe bei der Arbeit

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