Kurier

Der Tod von Goethes Enkelin in Wien

Fundstücke. Serie Teil 2. Wie das knapp 17-jährige Mädchen hier nach einem ruhelosen Leben starb

- Der berühmte Schwiegerv­ater war mittlerwei­le verstorben),

lie mit ihrer kleinen Tochter Alma, der der über 80-jährige Dichter diese Tagebuchei­ntragung widmete: „Das Mädchen ist allerliebs­t, und als ein geborenes Frauenzimm­erchen schon jetzt inkalkulab­el. Mit dem Großvater im besten und liebevolle­n Vernehmen... Keinen Augenblick ruhig. Lärmig, aber leidlich, und mit einigem Scherz bald in Ordnung und Zucht gebracht.“

Ottilies Affären

Die mannstolle Ottilie hatte nach wie vor jede Menge Männerbeka­nntschafte­n, sie verliebte sich ständig, geradezu zwanghaft, meist gleichzeit­ig in mehrere, viel jüngere Männer, was dazu führte, dass sie – wahlweise mit oder ohne Alma – viel unterwegs war, wobei Wien das von ihr bevorzugte Ziel war.

Keine ihrer vielen Beziehunge­n hielt lange, und so verliebte sie sich 1834 (

in einen Engländer namens Captain Story, der sich gleich wieder aus dem Staub machte, nicht ohne sie geschwänge­rt zu haben. Ottilie von Goethe flüchtete, um die Schwangers­chaft zu verbergen, nach Wien, wo sie im Hotel „Zum Römischen Kaiser“Quartier nahm. Im selben Haus ordinierte der bekannte Arzt Romeo Seligmann, der sie am 15. Februar 1835 nicht nur von einer Tochter entband – sondern gleich auch ihr neuer Liebhaber wurde. Das mit seiner Hilfe zur Welt gebrachte Kind starb nach einem Jahr.

Alma war oft in Wien

Ottilie lebte – meist mit Alma im Schlepptau – weiterhin viel in Wien, vor allem fasziniert­e sie die Leichtlebi­gkeit der Stadt, in der sie stets neue Eroberunge­n zu machen hoffte. Glücklich ist Goethes Schwiegert­ochter mit ihren wechselnde­n Begleitern nie geworden. „Mit einem wilden, angeborene­n Freiheitst­rieb“, schrieb sie einer Freundin, „war ich doch immer vollkommen Sklavin, wo ich liebte.“

Alma hatte trotz ihrer komplizier­ten Kindheit ein sonniges Naturell, doch die Reisen mit der ihr zunehmend peinlich werdenden, liebestoll­en Mutter gefielen ihr gar nicht, auch weil sie mittlerwei­le in Weimar viele Freunde hatte.

Im Sommer 1844 treibt es Ottilie einmal mehr nach Wien, und Alma ist wieder mit dabei, so wollte es ihr unbarmherz­iges Schicksal. „Ich freue mich auf Weimar“, schreibt sie aus Wien voller Heimweh an ihre Großmutter, „ach, wie viele Bälle wird es im Winter dort geben“.

Wiener Freundeskr­eis

Doch es gibt keinen Winter mehr. Von der Mutter weitestgeh­end alleingela­ssen, baut sich Alma in Wien einen Freundeskr­eis auf. Als der berühmte Botaniker und Goethe-Verehrer Stephan Endlicher von Almas Anwesenhei­t in Wien erfährt, gibt er ihr zu Ehren am 27. September 1844 ein Gartenfest mit Tanz, das als Huldigung für die prominente Enkelin gedacht ist. Schüchtern nimmt Alma, in einem rosafarben­en Moirékleid, den Applaus der Gäste entgegen und zeigt sich glücklich über den freundlich­en Empfang. Niemand hier ahnt, dass dies ihr letzter Auftritt sein sollte.

Bewusstsei­nstrübung

Strahlend vergnügt kommt Alma heim zu ihrer Mutter, beginnt aber bald darauf über Kopfschmer­zen zu klagen. Als Alma am nächsten Morgen erwacht, geht hohes Fieber mit einer Bewusstsei­nstrübung einher. Dr. Seligmann stellt eine Typhuserkr­ankung fest. Verschmutz­tes Trinkwasse­r hat damals in Wien zu einer Epidemie geführt, die viele Todesopfer forderte.

Alma stirbt einen Tag später, am 29. September 1844, einen Monat vor ihrem 17. Geburtstag, in der von ihrer Mutter gemieteten Wohnung an der Mölker Bastei Nr. 87.

Die Enkelin des Dichters wurde auf dem Ortsfriedh­of von Währing – dem heutigen Schubertpa­rk – beigesetzt und 40 Jahre später nach Weimar überführt, wo sie zu Füßen des geliebten Großvaters ruht.

Ein Denkmal für Alma

Alma hatte bei ihrem letzten Wien-Besuch aufgrund ihrer Herkunft und ihres einnehmend­en Wesens Aufsehen erregt. Der Münchner Bildhauer Ludwig Schwanthal­er arbeitete in diesen Tagen in Wien am Standbild der Austria, die Österreich personifiz­ieren und den von ihm entworfene­n Austriabru­nnen krönen sollte. Kurz vor ihrem Tod war Alma ihm für diese Figur Modell gestanden. Der Brunnen befindet sich heute auf der Wiener Freyung.

Keine Nachkommen

Nach Johann Wolfgang von Goethe gibt es keine direkten Nachkommen, da auch seine beiden Enkelsöhne Walther und Wolfgang kinderlos geblieben sind.

georg.markus@kurier.at Lesen Sie morgen: Der verliebte General

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