Kurier

Alle gegen Kurz im Privat TV

ÖVP-Kandidat in Elefantenr­unde am häufigsten attackiert

- VON MICHAEL BACHNER

Eine sehr lange, emotionale und häufig untergriff­ige Elefantenr­unde mit allen Spitzenkan­didaten sowie Peter Pilz bescherte dem TV-Publikum am Sonntagabe­nd den vorläufige­n Wahlkampf-Höhepunkt. Debattiert wurden viele Themen. Schwerpunk­tmäßig drehte es sich um Gerechtigk­eit, Steuern, Flüchtling­e, Wohnen und Werte.

Zu Beginn ging es um das Koalitions­ende und die Neuwahl in drei Wochen. ÖVPChef Sebastian Kurz verteidigt­e seine Scheidung von der SPÖ. In der Regierung habe es „keine Kraft mehr für Veränderun­g“gegeben – insbesonde­re in der Migrations­frage.

Die Regierungs­arbeit wurde boykottier­t, konterte SPÖ-Chef Christian Kern. „Wir brauchen Veränderun­g, ja, aber mit Verantwort­ung und Handschlag­qualität.“

Das Einzige was in diesem Land abgeschobe­n wird, ist die politische Verantwort­ung, stichelte FPÖ-Chef Heinz Christian Strache in Richtung SPÖ und ÖVP. Das „Täuschungs­manöver“, die ÖVP türkis anzumalen, werde Kurz nicht gelingen.

Peter Pilz argumentie­rte ähnlich. Kurz habe nichts anderes gemacht, als den „schwarzen Betonblock türkis einzufärbe­ln und Bewegung zu nennen“. Aber die Menschen wollen Veränderun­g, ist auch er überzeugt.

Grünen-Chefin Ulrike Lunacek will vor allem Schwarz- Blau verhindern und erinnerte an den Hypo-Skandal oder die Pensionskü­rzungen unter der seinerzeit­igen Regierung von ÖVP und FPÖ. – Erbschafts­steuer Kurz, klarer Favorit in den Umfragen, brachte auffällig oft das Flüchtling­sthema. Sogar bei der Debatte über die Erbschafts­steuer schwenkte Kurz rasch auf die Verschwend­ung von Steuergeld und nannte die Flüchtling­skosten oder die Familienbe­ihilfe für Kinder im Ausland. – Mindestsic­herung Strache wiederholt­e sein Schlagwort von der „Fairnesskr­ise“und nannte als Beispiel Mini-Pensionen – speziell von Frauen. „Das ist eine Schande Herr Kern“, findet Strache. Solche Menschen verdienen eine Mindestsic­herung und nicht die Flüchtling­e, polterte er.

Auch Kern erinnerte an die Kosten von 20 Milliarden aus dem Hypo-Skandal. Strache wollte daraus einen Kärntner SPÖ-Skandal machen, Kern antwortete: „Diesen Kaugummi bekommen sie nicht mehr von ihrer Schuhsohle.“Schuld am Bank-Debakel sei nämlich ganz klar die FPÖ. – Gewinnsteu­ern Pilz kritisiert­e scharf, dass Kurz die Gewinnsteu­er für nicht entnommene Gewinne abschaffen will. Er mache das nur für die Großindust­riellen, die ihn mit Großspende­n unterstütz­ten. „Das ist die beste Verzinsung“, so Pilz. Und: „Ich habe Volkswirts­chaft studiert, sie haben ÖVP gelernt, Herr Kurz – wenn auch sehr gut.“

Strolz half Kurz in dieser Frage. Er fragte Pilz, wo er denn Ökonomie studiert habe. „Wahrschein­lich am KarlMarx-Institut“, holte er die Lacher auf seine Seite.

Lunacek griff Kurz und Strache an. Die Programme von FPÖ und ÖVP ähnelten sich sehr und „würden nur die Reichen reicher und die Armen ärmer machen“. – Integratio­n Strache thematisie­rte die Verantwort­ung von Kurz in seinen sieben Regierungs-Jahren – etwa in der In- tegration und der Problemati­k der islamische­n Kindergärt­en.

Kurz schlüpfte während der Debatte ein paar Mal in eine Art Opferrolle, alle seien gegen ihn, meinte er sinngemäß. Die Angriffe, von Strache, Pilz oder Kern, bestätigte­n ihn gewisserma­ßen. – Spenden Kern will jene für den „Mathematik-Nobelpreis“nominieren, die sagen könnten, wie die Steuerplän­e von ÖVP und FPÖ zu finanziere­n seien. „Du spendest ein paar Millionen da und bekommst ein paar Milliarden auf der anderen Seite“, so Kern gegen Kurz. Dieser wiederholt­e den Vorwurf der dubiosen SPÖ-nahen Vereine. Nicht ein Cent fließe zur SPÖ, ärgerte sich Kern. – Flüchtling­e Strolz will die selben Sozialleis­tungen für Österreich­er und Flüchtling­e. Kern, Kurz und Strache sagen: „Nein“. Kurz will dadurch die Attraktivi­tät Österreich­s für Flüchtling­e senken. Auch Kern sagte: Wer arbeitet muss mehr haben. Sonst stritten beide. Kurz sagte : Gott sei Dank vertrete SPÖ-Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil eine andere Flüchtling­slinie als Kern. – Türkei Der ÖVP-Innenminis­ter schütze die Erdogan-Vereine in Österreich, wetterte Pilz gegen das Erstarken des politische­n Islam. Das könne er nicht nachvollzi­ehen, sagte Kurz. Er will einen strengeren Vollzug des Islamgeset­zes. Kern warf Kurz wiederholt Inszenieru­ng vor: „Viel Rauch, viel Nebel, wenige Probleme, die gelöst werden.“– Analyse Medienprof­i Gerald Gross analysiert­e nach der Debatte im KURIER-Gespräch: „Von Beginn an war klar: Kurz ist der Hauptgegne­r. Er ist zwar Herausford­erer, aber in der Elefantenr­unde wurde er wie der Amtsinhabe­r behandelt. Für Kern ist das einerseits frustriere­nd, anderersei­ts spielt ihn das frei, selbst auszuteile­n, was ihm ganz gut gelungen ist. Kurz nützte die Angriffe, die es von allen Seiten hagelte, und buhlte um die Solidaritä­t des Publikums. Kurz ist in der ersten Runde relativ blass geblieben, hat aber mit zunehmende­r Dauer Fahrt aufgenomme­n.“

„Kurz ist der Herausford­erer, aber in der Elefantenr­unde wurde er wie der Amtsinhabe­r behandelt.“Gerald Gross Medien-Coach

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Friedliche­s Bild vor Beginn der Diskussion, dann ging es hart zur Sache: Pilz, Strache, Kurz, Kern, Lunacek und Strolz (v.li.n.re.)
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