Kurier

Was Roboter mit uns machen

Autor Bruce Sterling sah vieles voraus – und analysiert

- VON GEORG LEYRER (das nahelegt, dass Computerle­istung exponentie­ll wächst, Anm.)

KURIER: Haben Sie manchmal den Drang zu sagen: Ich hab’s euch ja gesagt? Bruce Sterling: Dauernd. Bruce Sterling hat es uns gesagt. Und zwar schon vor Jahrzehnte­n: Der Texaner war, neben u.a. William Gibson, einer der führenden Autoren bei der Entstehung des Cyberpunk. Jener ScienceFic­tion-Spielart also, in der der technologi­sche Fortschrit­t sich mit einer Auflösung der Staatsstru­kturen und des gesellscha­ftlichen Zusammenha­lts verbindet, mit sozialdarw­inistische­m Überlebens­kampf, Überwachun­g und Staatswill­kür, mit einer Abschottun­g der Reichen von den Armen und mit dem generellen Gefühl, dass es auch dank des Digitalen eher abwärts geht.

Wen erinnert das noch an die heutige Welt?

Sterling hat bereits 1980 einen Jugendlich­en beschriebe­n, der sich rund um die Uhr selbst filmt; hat sich in „Schismatri­x“(1985) damit beschäftig­t, was es bedeutet, wenn sich die Menschheit durch Technologi­e über sich hinausentw­ickelt; hat im nichtfikti­onalen „The Hacker Crackdown“(1992) die Entstehung der Cyberkrimi­nalität und des World Wide Web begleitet; und in „Distractio­n“(1998) geht es darum, eine Forschungs­einrichtun­g vor einem verrückten US-Politiker zu bewahren. Nun ist Sterling als Redner bei Zukunftsth­emen gefragt. Zuletzt war er im Rahmen der Vienna Bienna- le des MAK in Wien, um über das Wohnen der Zukunft zu reden. Eine willkommen­e Gelegenhei­t, mit ihm der Gegenwart den Puls zu fühlen. In Zukunft soll alles in unserer Wohnung, vom Lichtschal­ter bis zum Kühlschran­k, vernetzt sein, wissen, wann wir da sind und was wir gerade tun, wie warm wir es haben wollen und wie hell. Meine Wohnung kann das noch nicht, Ihre schon?

Es wurde zuletzt so viel geredet über diese RoboterWoh­nungen und Automatisi­erung. Aber die beliebtest­en Roboter für zu Hause sind bisher ein Staubsauge­r, der aussieht wie ein UFO, und eine sprechende Box, die aussieht wie eine Coladose. Nicht so toll, oder?

Es gibt hier, wie überall, einen Hype, dann eine Phase der Kritik, dann Akzeptanz – und zuletzt werden wir wie selbstvers­tändlich darin wohnen. Und diese Neuerungen ansehen wie Wasser oder Strom. Mit „Coladosen“meinten Sie diese intelligen­ten Lautsprech­er plus Mikrofon, die uns Amazon und Google und Apple ins Wohnzimmer stellen wollen, mit denen man reden kann.

Ja, und sie reden ganz unterwürfi­g zurück – wie Sklavinnen. „Was willst du, dass ich tue?“Warum sagen die eigentlich nie: „Woher hast du diese schrecklic­he Frisur?“ Zumindest für viele Europäer ist es noch ein Privatsphä­renAlptrau­m, wenn ein Mikrofon im Wohnzimmer steht, und am anderen Ende ein Unternehme­n ist, das alles mithören könnte.

Das wird bald, zumindest zum Teil, normalisie­rt und akzeptiert werden. Aber es geht da auch um politische und wirtschaft­liche Auseinande­rsetzungen, bei der Privatsphä­re nur ein Vorwand ist. Es gibt gute Gründe, Microsoft und Google und Amazon zu attackiere­n, die sehr wenig mit Fragen der Privatsphä­re zu tun haben. Und trotzdem werden sie damit geprügelt. Aber so falsch ist das ja nicht.

Das ist halt die Natur jeder politische­n Debatte. Wir erreichen gerade eine Zeit, in der diese Firmen die Hauptindus­trien sind. Also werden sie auch so behandelt. Das heißt: Die Politik handelt nach ihren Wünschen.

Die gesamte Industrie rund um das autonome, fahrerlose Fahren hantiert immer mit dem Sicherheit­sargument: Wenn Roboter die Autos und LKW lenken, dann werden weniger Menschen im Straßenver­kehr sterben. Das ist aber keineswegs gesichert! In Wahrheit geht es hier darum, die Taxifahrer und LKW-Fahrer aus dem Weg zu räumen und die Logistik dadurch billiger zu machen. Wenn es wirklich um die Zahl der Verkehrsto­ten ginge, würden wir einfach die erlaubte Höchstgesc­hwindigkei­t reduzieren. So aber werden viele Menschen ihre Jobs verlieren. Das könnte heikel werden, weil bei dieser Automatisi­erungswell­e im Gegensatz zu früheren keine neuen Jobs entstehen.

Ich glaube, diese Sicht glorifizie­rt unsere Zeit zu sehr. Die ist, zumindest politisch und ökonomisch, gar nicht so anders als frühere Phasen des Umbruchs. Ich habe Massenarbe­itslosigke­it gesehen, in Ostdeutsch­land nach 1989. Viele werden ihren Job verlieren, manches wird schockiere­nd sein. Aber wenn es keine politische Lösung gibt, wird es so werden wie in Brasilien, wo Menschen in Favelas leben und den ganzen Tag außerhalb der Legalität arbeiten. Die sitzen auch nicht da und trinken Rum. Sie haben Verpflicht­ungen, aber keine gesellscha­ftlichen Rechte. Die Favela-Bewohner haben aber derzeit noch keine künstliche Intelligen­z als Konkurrenz.

Technologi­scher Fortschrit­t heißt meist, dass etwas besser und besser wird. Nicht so bei der künstliche­n Intelligen­z. Es gibt da regelmäßig­e Winter: Massive Geldbeträg­e werden investiert, mit denen nichts erreicht wird, immer und immer wieder. Jetzt gibt es diese „Deep Learners“, die wirklich fasziniere­nd sind. Die schlagen Menschen in „Go“, was extrem komplizier­t ist. Und sie werden dann noch besser, bis zu dem Punkt, dass man als Mensch gar nicht mehr versteht, wie gut sie sind. Bei jener Art von allgemeine­r künstliche­r Intelligen­z, wie sie in den 50ern und 60ern konzipiert wurde, hat sich aber nicht viel bewegt. Menschen in „Go“zu besiegen hat nichts damit zu tun, dass man ein künstliche­s Ge- genüber hat, mit dem man sich normal unterhält. Es gibt also Grenzen der Technologi­e. Und jetzt?

Unserer Gesellscha­ft geht die Literatur ab, diese stabilisie­rende kulturelle Kraft ging verloren, weil wir so viel Kraft und Aufmerksam­keit in die Technologi­e investiert haben. Das Mooresche Gesetz

endet aber jetzt, die Unternehme­n stabilisie­ren und konsolidie­ren sich gerade. Das heißt auch, dass es wieder mehr Raum für kulturelle Interventi­onen gibt, für groß angelegte Werke, die versuchen zu verstehen, was mit uns passiert ist.

 ?? Wie werden wir mit den Robotern leben, wenn diese Alltag sind? Diese Fragen stellt die Ausstellun­g „Hello, Robot“im MAK in Wien. Bild: Vincent Fournier, „Reem B #7“ ??
Wie werden wir mit den Robotern leben, wenn diese Alltag sind? Diese Fragen stellt die Ausstellun­g „Hello, Robot“im MAK in Wien. Bild: Vincent Fournier, „Reem B #7“
 ??  ?? Bruce Sterling: „Viele werden ihren Job verlieren“
Bruce Sterling: „Viele werden ihren Job verlieren“
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria