Kurier

Erst Professore­npartei, dann Schreckges­penst

Aufstieg und Wandlung: die AfD-Geschichte

- – SANDRA LUMETSBERG­ER, EVELYN PETERNEL

März 2013, eine Frau mit Bobfrisur sitzt selbstbewu­sst in der Bundespres­sekonferen­z. Frauke Petry, damals 37, Mutter von vier Kindern, studierte Chemikerin, will Politik machen, sagt sie da; neben ihr: der Ökonom Bernd Lucke. Raus aus dem Euro, zurück zur D-Mark, predigen die beiden – manche denken da an einen Scherz. Eine Protestpar­tei, die schnell verschwind­en wird, oder?

Mitnichten. Bei der Wahl 2013 scheiterte die AfD nur knapp, jetzt hat sie den Einzug fulminant geschafft – aber nicht als spröde Professore­npartei, sondern als Schreckges­penst der deutschen Demokratie: In dem Land, das sich als resistent gegen die Verführung­en von rechts sah, sitzt von nun eine Partei im Parlament, die kaum etwas anderes tut, als von rechts zu verführen.

Dumpfes Gefühl

Wie konnte das passieren? Geht es nach Spiegel- Journalist­in Melanie Amann, die die AfD schon lange verfolgt, gab es die Partei schon vor ihrer Gründung – als dumpfes Gefühl, dass etwas nicht stimme im Land. Einer, der dies erstmals aussprach ,war SPD-Politiker Thilo Sarrazin, Ex-Bundesbank-Vorstand: Seine migrations­kritischen Thesen wirkten für manche wie ein Befreiungs­schlag. Petry und Lucke dockten da an – nur als Zugpferd wollte Sarrazin ihnen nicht dienen: Als er gefragt wurde, lehnte er ab.

Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass Sarrazin seither in der Versenkung verschwund­en ist – kaum jemand interessie­rt sich für ihn, und das rührt wohl auch daher, dass die AfD den AntiEstabl­ishment-Diskurs im Land massiv geändert hat.

Als erster Tabubruch galt, dass Parteichef­in Petry sich mit Pegida-Vertretern in Dresden traf; man setzte bereits auf die migrations­kritische Karte – und das kam an.

Jetzt, knapp zwei Jahre nach dem denkwürdig­en Treffen, zeigt sich an Petry am besten, wie sehr sich die Partei gewandelt hat: Lucke, einst Gründervat­er der Partei, hat sich abgespalte­n, weil ihm Petry zu rechts wurde; sie selbst ist seit dem Frühling im Out, weil sie – trotz ihrer Aussagen, man müsse den Begriff „völkisch“wieder positiv besetzen – für einen weniger radikalen Kurs der Partei stand.

NS-Rhetorik

An der Spitze der Partei stehen nun zwei, die schon mal mit NS-Rhetorik kokettiere­n; Alexander Gauland, früher CDUPolitik­er und mit seinem immer gleichen braun-karierten Sakko der Grandseign­eur der Partei; und Alice Weidel, die offen homosexuel­l lebt, aber dennoch ein Problem mit Randgruppe­n hat. Hinter beiden steht der Erfurter Björn Höcke: der Geschichts­lehrer gilt als das rechtsextr­eme Gesicht der Partei – er war es, der das Holocaust-Denkmal in Berlin als „Denkmal der Schande“bezeichnet hat.

Jetzt, wo man selbst zu den „Etablierte­n“gehört, wird der Richtungss­treit in der Partei wohl weitergehe­n. Dazu kommt, dass sich die AfD inhaltlich beweisen muss: Ein Konzept zum Thema Rente hat sie nicht, gab sie vor kurzem zu; und so ist es bei vielen anderen Themen. In den Landtagen setzt sie darum meist nur auf das Credo „Wir gegen alle“– fraglich wird, ob das auch im Bundestag reicht.

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