Kurier

Judi Dench schlüpft in royale Rolle

Die große alte Dame des britischen Films ist demnächst als Königin Victoria im Kino zu sehen.

- (lacht) VON GABRIELE FLOSSMANN

Sie ist 82 Jahre alt und steht seit 60 Jahren auf der Bühne. Ihre Filmkarrie­re krönte Judi Dench 2001 mit dem Oscar für ihre Nebenrolle als Königin Elizabeth I. in „Shakespear­e in Love“. Ihr nur achtminüti­ger Auftritt spornte die Kritiker zu wahren Jubelstürm­en an. Sie kann also Shakespear­e und James Bond, Theater und Film, Drama und Komödie. Jetzt kommt die ebenso renommiert­e wie resolute Mimin als Königin Viktoria ins Kino – eine Rolle, die sie schon 1997 in „Mrs. Brown“spielte. Das rührende und stellenwei­se auch recht komische Drama „Victoria & Abdul“(Kinostart: Donnerstag) erzählt von der ungewöhnli­chen, von tiefer Zuneigung getragenen Freundscha­ft zwischen Königin Victoria und einem jungen indischen Bedienstet­en. Regie führte der Engländer Stephen Frears („The Queen“). KURIER: Wäre es nicht interessan­t, einmal „Mrs. Brown“und „Viktoria & Abdul“als Double Feature in einem Kino zu zeigen? Judi Dench: Wollen Sie, dass die Zuschauer einen Schock bekommen, wenn Sie mich innerhalb kürzester Zeit um 20 Jahre gealtert sehen? Ich würde mir das auf keinen Fall anschauen! „Victoria & Abdul“wurde an Originalsc­hauplätzen gedreht – in den Gemächern der Königin Viktoria. Hat Ihnen das den Zugang zur Rolle erleichter­t?

Ja, das war schon ein ganz eigenes Gefühl. Sogar Stephen Frears, der ja mit der Monarchie so gar nichts am Hut hat, war von dieser Atmosphäre beeindruck­t. Wie suchen Sie Ihre Rollen aus?

Das Wichtigste ist für mich immer, mit wem ich zusammenar­beite – und da hat Stephen Frears bei meiner Zusage schon eine große Rolle gespielt. Ich möchte mich auch nicht wiederhole­n. Schon gar nicht in meinem Alter. Mit meiner Arbeit als Schauspiel­erin muss ich nur mich selbst und meine beiden Hunde erhalten können – und ein paar nette Juwelen zum Ausgehen habe ich ja schon von früher. Da muss ich nicht jede Rolle annehmen. Wussten Sie von dieser Freundscha­ft zwischen Königin Victoria und ihrem indischen Diener?

Nein. Die Geschichte hat mich sehr überrascht! Aber ich konnte mich gut in Victoria hineindenk­en. Sie musste als Königin vor allem präzise funktionie­ren, und ihr Tag wurde vom Hofstaat genau eingeteilt. Sie konnte nicht selbst entscheide­n, wann und mit welchen Menschen sie es- sen oder Tee trinken wollte. Mit ihrem viel, viel jüngeren indischen Diener Abdul konnte sie plötzlich über Gefühle reden – viel besser als mit den eigenen Kindern. Sie war damals 83. Es war also höchste Zeit, um noch einmal tiefere Gefühle zu erleben. Warten Sie nur, was mit mir in einem Jahr passiert – dann bin ich auch 83. Ich dachte, Sie wollten nicht über Ihr Alter reden?

Es macht mich nur absolut wütend, wenn mich Leute fragen, wann ich in Pension gehe. Ich möchte nicht gesagt bekommen, dass ich für irgendetwa­s zu alt bin. Ich möchte erst alles ausprobier­en, und wenn ich etwas nicht schaffe, dann kann man mir das immer noch sagen. Zurück zu Viktoria: Denken Sie, dass zwischen ihr und Abdul Erotik eine Rolle gespielt hat?

Liebe kann in jedem Alter mit oder ohne Sex funktionie­ren. Victoria hat Abdul sicher geliebt, aber wahrschein­lich hegte sie eher mütterlich­e Gefühle. Anderersei­ts war sie schockiert, als er ihr erzählte, dass er verheirate­t ist – das ist dokumentie­rt. Glauben Sie, dass diese Gefühle ihr Leben verlängert haben?

Da bin ich ganz, ganz sicher! Ich kenne dieses Gefühl, dass ein reges Interesse für andere Menschen wie ein Jungbrunne­n wirkt. Auch die Arbeit als Schauspiel­erin gibt mir Energie. Wenn man aufgibt, sich für andere zu interessie­ren – was sollte einen da noch antreiben? Können Sie sich auch in die Einsamkeit von Viktoria hineindenk­en? Sie hat ja nie aufgehört, um ihren toten Mann zu trauern.

Ja, leider allzu gut. Mein Mann (der Schauspiel­er Michael Williams, Anm.) ist ja schon vor einigen Jahren gestorben. Und allein in diesem Jahr sind sieben enge Freunde von mir und im Jänner auch noch mein älterer Bruder gestorben. Jetzt bin ich die letzte unserer Generation. Hilft der Beruf, über diese Verluste hinwegzuko­mmen?

Ja, genau so ist es! Die Arbeit bringt einen auf andere Gedanken. Nach dem Tod meines Mannes habe ich drei Filme hintereina­nder gedreht – mit jeweils nur zwei Tagen dazwischen. Das hat mir gutgetan! Ich habe damals gemerkt, dass man Trauer in Energie umwandeln kann – was aber nicht heißt, dass man die Menschen verdrängt, um die man trauert. Gibt es Rollen, die schwergefa­llen sind?

Mir fallen beinahe alle Rollen schwer. Im Film wie am Theater. Ich bin sehr selbstkrit­isch und aus diesem Grund habe ich mir auch keinen meiner Filme angeschaut. Denn am Theater kann man versuchen, bei der nächsten Vorstellun­g besser zu sein. Eines Tages werde ich mir vielleicht ein paar meiner Filme anschauen – wenn ich mich einmal wirklich alt fühle. Sie haben gesagt, dass Sie sich nicht wiederhole­n wollen. „M“in der 007-Reihe haben Sie dennoch mehrmals gespielt.

Ich hoffe doch, dass sich der Charakter von „M“von Film zu Film verändert hat. Als man mir das Drehbuch von „Golden Eye“zuschickte, war mein Mann ganz wild darauf, dass ich da mitspiele. Er sagte, er wolle auch einmal damit angeben können, mit einem „Bond-Girl“verheirate­t zu sein. Und ich war plötzlich auch eine heiße Nummer bei meinem Enkel und seinen Freunden.

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Die Königin und ihr Diener: Judi Dench und Ali Fazal in Stephen Frears’ „Victoria & Abdul“

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