Kurier

„Für die Politik muss etwas übrig bleiben“

Streitgesp­räch. Peter Pollak und Wolfgang Ulm diskutiere­n über die Tonalität der Stadtrechn­ungshofber­ichte, Bürgernähe und einen Ausbau der Prüfkompet­enzen.

- VON ELIAS NATMESSNIG UND STEFANIE RACHBAUER

Der Stadtrechn­ungshof kontrollie­rt die Haushalts- und Wirtschaft­sführung der Gemeinde und ihrer Einrichtun­gen. Seine Prüf berichte werden im Stadtrechn­ungshofAus­schuss des Gemeindera­ts behandelt. Ausschuss-Vorsitzend­er Wolfgang Ulm, ÖVP, kann sich eine Ausdehnung der Prüf kompetenze­n vorstellen, Stadtrechn­ungshofdir­ektor Peter Pollak bremst.

KURIER: Herr Pollak, die Präsidenti­n des Bundesrech­nungshofs hat angeregt, dass Bürger via Facebook Vorschläge für Prüfungen einbringen sollen. Wäre das für Sie vorstellba­r?

Peter Pollak: 2016 haben wir bereits vier Berichte aufgrund von Bürgeranli­egen gemacht. Die Prüfplanun­g ist aber hochkomple­x. Ich möchte daher nicht zu große Erwartunge­n wecken, dass wir alles prüfen. Zudem setzt sich die Volksanwal­tschaft mit jedem behauptete­m Missstand in der Verwaltung auseinande­r. Der Stadtrechn­ungshof ist keine Konkurrenz­veranstalt­ung. Herr Ulm, ist der Stadtrechn­ungshof zu wenig bürgerfreu­ndlich?

Wolfgang Ulm: Das würde ich nicht sagen. Aber der Rechnungsh­of ist sicher in erster Linie ein Hilfsorgan für Gemeindera­t und Landtag. Die Abgeordnet­en haben die Aufgabe, die Gebarung des Magistrats zu kontrollie­ren. Das ist über Prüfersuch­en möglich und funktionie­rt gut. Aber ich wünsche mir, dass der Stadtrechn­ungshof noch unabhängig­er von der Verwaltung wird, indem er eine eigene Organstell­ung bekommt und aus dem Magistrat herausgelö­st wird.

Die Prüfberich­te sind oft sperrig formuliert. Sollten sie nicht griffiger und kritischer sein?

Ulm: Eine griffigere Sprache würde die Berichte interessan­ter machen. Man muss sich oft sehr bemühen, um eine fassbare Kritik zu finden. Das sollte leichter herauszule­sen sein.

Pollak: Inhaltlich kritisch sind wir. Aber polemisch gesagt: Für Presse und Politik muss etwas zum Ausformuli­eren übrig bleiben. Wir sind der Gutachter, der versucht, sprachlich korrekt und fair Sachverhal­te darzustell­en. Wenn das als unkritisch gesehen wird, ist das so. Sollen Prüfkompet­enzen ausgeweite­t werden? Die Neos haben vorgeschla­gen, dass der Stadtrechn­ungshof eine begleitend­e

Kontrolle durchführe­n soll.

Ulm: Die nachprüfen­de Kontrolle ist eine Erfolgsges­chichte. Eine begleitend­e Kontrolle ist problemati­sch, weil man damit Verantwort­ung von der Verwaltung zur Kontrolle verlagert. Man könnte aber die Kompetenze­n zu einer Projektkon­trolle für Großprojek­te ausweiten. In der Steiermark wird der Landesrech­nungshof bei Projekten ab 20 Millionen Euro eingeschal­tet, wenn es zu Kostenstei­gerungen kommt.

Hat der Stadtrechn­ungshof dazu überhaupt das Personal und die Kompetenze­n?

Pollak: Wir haben die Fachkompet­enzen und auch das Personal. Ich bin dem gegenüber aber sehr skeptisch. Denn wenn man etwa bestimmte Fristen für eine Prüfung vorsieht, ist das ein Eingriff in die Unabhängig­keit. Eine begleitend­e Kontrolle könnte auch dazu führen, dass die Verwaltung etwas entwirft, auf die Kontrolle durch den Stadtrechn­ungshof wartet und dann erst die politische Entscheidu­ng getroffen wird.

Herr Ulm, sollen die Prüfkompet­enzen anderwärti­g ausgebaut werden?

Ulm: Ja. Jetzt kann der Rechnungsh­of Unternehme­n prüfen, wenn die Stadt eine Beteiligun­g von 50 Prozent hat oder eine beherrsche­nde Kontrolle durch die öffentlich­e Hand besteht. Die Prüfung, ob es eine beherrsche­nde Kontrolle gibt, würde man sich oft sparen können, wenn die Hürde auf 20 oder zehn Prozent herabsetzt wird. Aber welcher Investor will sich von einen Zehn-Prozent-Teilhaber prüfen lassen? Ulm: Ich halte das für ein vorgeschob­enes Argument. Der Rechnungsh­of prüft die Sparsamkei­t, Wirtschaft­lichkeit, Zweckmäßig­keit und Rechtmäßig­keit der Gebarung. Jeder Investor hat ein Interesse, dass nach diesen Grundsätze­n gearbeitet wird.

Welches Interesse könnte die Stadt haben?

Ulm: Wir haben erlebt, dass städtische Einrichtun­gen versuchen, in einer Gesellscha­ft in der Minderheit zu bleiben, um sich der Kontrolle zu entziehen. Die Stadt nutzte etwa Treuhänder, damit diese eine Mehrheitsb­eteiligung halten und es dennoch keine Prüfmöglic­hkeit gibt. Das gehört unterbunde­n.

Könnten nicht auch die Prüfkompet­enzen des Gemeindera­ts ausgeweite­t werden?

Ulm: Der Gemeindera­t hat kein Frage-, Antrags- oder Diskussion­srecht zu ausgeglied­erten Unternehme­n, obwohl sie mehr als 50 Prozent der kommunalen Daseinsvor­sorge erledigen. Die Stadträte wären in der Lage, auf Anfrage von Abgeordnet­en die nötigen Informatio­nen von den Unternehme­n zu besorgen und an die Gemeinderä­te weiterzuge­ben. Zu einem solchen Fragerecht fehlt aber der politische Wille. Herr Pollak, was würde sich dadurch für Ihre Arbeit ändern?

Pollak: Zu dieser politische­n Diskussion äußere ich mich nicht. Zur Herabsetzu­ng der städtische Beteiligun­gs-Hürde gebe ich zu bedenken: Wir würden dann Empfehlung­en ausspreche­n, die der zuständige Stadtrat nicht durchsetze­n kann, wenn sie der Mehrheitse­igentümer nicht realisiere­n möchte.

Geht es nach der FPÖ, soll der Rechnungsh­of Gesetzesvo­rschläge entwickeln. Können Sie sich das vorstellen?

Ulm: Ja. Wenn Prüfungen ergeben, dass eine Gesetzesän­derung sinnvoll ist, erfahren wir das auch jetzt schon.

Pollak: Der Stadtrechn­ungshof beschäftig­t sich mit Gebarungss­achverhalt­en. Effizienz soll aber nicht die alleinige Grundlage von Gesetzen sein. Wenn ein Politiker unsere Berichte liest, kann er selbst urteilen, ob eine Norm sinnvoll ist. Kontrolle heißt Soll-IstVerglei­ch, nicht die Mitgestalt­ung der Sollvorgab­en.

Diverse Aufdeckers­eiten im Netz prangern Steuergeld­verschwend­ung an. Braucht es den Stadtrechn­ungshof noch?

Pollak: Natürlich. Unsere Prüfer sind sachkundig und formuliere­n einen nicht-reißerisch­en Bericht, der eine objektive Diskussion­s-Grundlage ist. Wir gehen ohne Interessen­slagen in die Prüfung.

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Stadtrechn­ungshofdir­ektor Pollak: „Wir versuchen, sprachlich korrekt Sachverhal­te darzustell­en“ ÖVP-Gemeindera­t Wolfgang Ulm: „Eine griffigere Sprache würde die Berichte interessan­ter machen“

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