Kurier

Aufholbeda­rf beim Thema Bildung

Austro-Türken. Keine Integratio­nsmuffel, aber eine Herausford­erung

- – Ö. ANIL, B. ICHNER

Punkto Identifika­tion mit Österreich unterschei­de sich die Einstellun­g der türkischst­ämmigen Bevölkerun­g von anderen Zuwanderun­gsgruppen, berichtet der Integratio­nsfonds. So sollen sich in einer Erhebung etwas mehr als die Hälfte der befragten Austro-Türken eher der Türkei als Österreich zugehörig gefühlt haben – obwohl sie oft hier geboren und aufgewachs­en sind. Sind türkischst­ämmige Menschen also Integratio­nsmuffel?

So einfach lässt sich die Frage nicht beantworte­n, meint Soziologe Kenan Güngör. Denn: die Türken gebe es ebenso wenig, wie die Österreich­er. „Wenn man (als Mehr

heitsgesel­lschaft; Anm.) Menschen mit Migrations­hintergrun­d nicht anbietet, dass sie sowohl Österreich­er als auch Türken sein können, zwingt man sie in eine Form, in die sie nicht reinpassen.“

Das Hauptprobl­em sieht Güngör vor allem bei der Bildung. Laut Integratio­nsfonds hatten 2015 fast zwei Drittel aller Personen mit türkischem Migrations­hintergrun­d einen Pflichtsch­ulabschlus­s als höchsten Bildungsst­and. Probleme bei der Integratio­n haben nun vor allem Jugendlich­e, die den Bildungsau­fstieg nicht schaffen, meint Güngör. Durch die Perspektiv­enlosigkei­t wären sie anfälliger für radikales Gedankengu­t und würden dadurch eher in die Kleinkrimi­nalität abrutschen.

Auf die Frage was AustroTürk­en für die bessere Integratio­n tun könnten, antwortet er:„Sie beklagen sich über die Fremdenfei­ndlichkeit gegenüber Muslimen, die es auch gibt, aber müssten selbstkrit­isch hinterfrag­en, warum es so eine große Ablehnung gibt. Es hilft nicht, in der Opferrolle zu verharren.“

Fremdsprac­hen

Beim Wiener Stadtschul­rat bemerkt man punkto Bildung eine Trendwende: Obwohl türkischst­ämmige Kinder bei Eintritt in die Volksschul­e zum Teil noch nicht ausreichen­d Deutsch können, um dem Unterricht zu folgen und deshalb zusätzlich­e Sprachförd­erung benötigen ( wie viele es genau sind, wird nicht erhoben), würden „gerade türkische Familien immer bildungsaf­finer“, meint Integratio­nsexpertin Ulrike Doppler-Ebner. „Anders als noch vor zehn bis 15 Jahren wollen viele Eltern für ihre Kinder eine bessere Bildung als ihre eigene. So suchen sie gezielt Schulen mit Fremdsprac­henangebot aus, weil sie wollen, dass ihre Kinder, vor allem Mädchen, später auf eine AHS kommen.“

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