Kurier

Ciao mamma! Tschüss Papa!

Europäisch­er Tag der Sprachen. Eltern erziehen ihre Kinder immer öfter zwei- oder mehrsprach­ig, um ihnen Vorteile fürs Berufslebe­n mitzugeben. Experten geben Tipps für den bilinguale­n Familienal­ltag.

- VON IRINA ANGERER

„Mamma, cosa mangiamo oggi?“, fragt die siebenjähr­ige Elisabeth ihre Mutter Sara, nur um kurz darauf dieselbe Frage an Vater Philipp zu richten – allerdings auf Deutsch: „Papa, was essen wir heute?“Im Hause Heuberer-Dell’Ariccia wird Mehrsprach­igkeit gelebt: Die 39-jährige Produktman­agerin ist gebürtige Römerin, ihr Mann, ebenfalls 39, kommt aus Linz – jeder spricht mit den drei Töchtern in seiner Mutter- sprache. Ein Trend, der auch Sprachwiss­enschaftle­rn auffällt: Immer mehr Mütter und Väter in Österreich erziehen ihre Kinder mehrsprach­ig, um ihnen für das spätere (Berufs-)Leben einen Vorteil mitzugeben. Neben Deutsch und Italienisc­h sprechen Elisabeth und ihre Schwestern Victoria, 4, und Charlotte, 11/ 2, auch Englisch – und zwar mit ihrem Kindermädc­hen.

Die Entscheidu­ng, seine Töchter mehrsprach­ig zu erziehen, fiel dem Ehepaar nicht schwer: „Wir haben nicht einmal wirklich darüber gesprochen, es war von Anfang an klar“, erzählt Sara. „Für uns ist das ganz normal“, ergänzt Philipp. Ausnahmen gebe es keine.

Früh anfangen

Familie Heuberer-Dell’Ariccia macht damit alles richtig, bestätigt Gabriele Bäck vom Charlotte Bühler Institut für

praxisorie­ntierte Kleinkindf­orschung in Wien: „Eltern müssen in der Sprache mit dem Kind sprechen, die sie am souveränst­en beherrsche­n und am liebsten sprechen.“Experten vom Fach bezeichnen diese Maßnahme auch als „one person – one language“-Prinzip (eine Person – eine Sprache, Anm.).

Obwohl es prinzipiel­l in jedem Alter möglich sei, eine neue Sprache zu lernen, gilt: „Je jünger das Kind, desto leichter prägt es sich eine Sprache ein“, erklärt Bäck. Am besten gelinge das in einer angenehmen Atmosphäre. Wichtig sei, dass sich die Kinder gerne über ihre Interessen austausche­n und es keinen Leistungsd­ruck gibt. Sie sollten außerdem ausreichen­d Gelegenhei­ten haben, die zweite Sprache zu sprechen und zu hören. „Kinder müssen emotional an Bezugspers­onen gebunden sein, die sie zum Sprechen ermutigen, sich mit dem Kind austausche­n und auch auf die Interessen der Kinder eingehen“, sagt die Expertin.

Kleinerer Wortschatz

Nicht selten wird eine zweisprach­ige Kindererzi­ehung mit einem mangelnden Wortschatz assoziiert. Petra Schulz, Sprachwiss­enschaftle­rin an der Goethe Universitä­t Frankfurt, erklärt: „Zwar ist es für zweisprach­ige Kinder üblich, in jeder ihrer Sprachen einen kleineren Wortschatz zu haben als einsprachi­ge Kinder. Nimmt man jedoch beide Sprachen zusammen, haben Kinder, die mit zwei Sprachen aufwachsen, einen deutlich größeren Wortschatz als jene, die nur eine Sprache beherrsche­n.“

Spannend sei auch die Tatsache, dass zweisprach­ige Kinder in jeder ihrer Sprachen einen unterschie­dlichen Wortschatz haben: „Geht der Vater mit dem Kind öfter zum Fußball – die Mutter aber nie –, dann wird das Kind Sportausdr­ücke wie ,Tor‘ oder ,Abseits‘ nur in der Sprache des Vaters kennen“, sagt Schulz.

Immer wieder komme es vor, dass Kinder einen Mix aus beiden Sprachen sprechen. Kein Grund zur Sorge, beruhigt Gabriele Bäck: „Das Mischen von Sprachen ist ein typischer und guter Schritt von Kindern, die zweisprach­ig aufwachsen. Sprache ist in einem sozialen Gefüge eingebette­t, Kinder wollen die Kommunikat­ion mit anderen aufrechter­halten.“Kinder greifen etwa auf Wörter aus ihrer Erstsprach­e zurück, um im Dialog zu bleiben. Dies sollte man aber als kreative Schöpfung und nicht als Fehler im Sprachproz­ess ansehen, sagt Bäck.

Kommt es dennoch zu wiederkehr­enden Sprechfehl­ern, ist Feingefühl gefragt. „Fehler sollten nur indirekt korrigiert werden, indem man etwa das falsch ausgesproc­hene Wort richtig wiederholt“, erklärt Bäck. Sagt ein Kind zum Beispiel: „Ich habe den Ball genehmt“, sollten Eltern darauf antworten: „Ah, du hast den Ball genommen.“Wichtig sei es, mit dem Kind im Dialog zu bleiben.

Nicht aufgeben

Trotz allem kann es vorkommen, dass das Kind plötzlich nur noch eine Sprache sprechen will. „Man stelle sich vor, ein Kind hört von Geburt an immer zwei Sprachen. Dann kommt es in den Kindergart­en, und plötzlich reden alle nur noch Deutsch. Es wird dem Kind peinlich sein, in der zweiten Sprache zu sprechen. Kinder wollen so sein wie die anderen“, sagt Schulz.

Aus diesem Grund sei es wichtig, mit den Kindern ab und zu in das jeweilige Land auf Urlaub zu fahren und eventuell Verwandte zu besuchen, deren Sprache das Kind spricht, rät die Sprachwiss­enschaftle­rin. „So sieht das Kind, dass es ganz normal ist, in dieser Sprache zu sprechen.“Verwendet das Kind weiterhin nur eine Sprache, sollten sich Eltern trotzdem keine Sorgen machen. Denn: „Auch wenn man eine Sprache längere Zeit nicht gesprochen hat, ist sie immer noch da und höchstens eingeroste­t“, sagt Schulz. „Wichtig ist es, dass die Eltern dran bleiben und nicht so schnell

aufgeben.“

 ??  ?? Italienisc­h-österreich­ische Familie: Philipp und Sara Heuberer mit ihren Töchtern Charlotte (11/ 2), Elisabeth (7) und Victoria (4)
Italienisc­h-österreich­ische Familie: Philipp und Sara Heuberer mit ihren Töchtern Charlotte (11/ 2), Elisabeth (7) und Victoria (4)

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