Kurier

„Hinterher ist man immer gescheiter“

Stiwoll. Gutachter und Justiz schieben einander Verantwort­ung für Ermittlung­seinstellu­ngen gegen Flüchtigen zu

- VON 30. 10. 31. 10. 3. 11. 4. 11.

Mehr als hundert Hinweise auf Friedrich Felzmann hat die Polizei erhalten. Doch nur wenige Tipps zu dessen Versteck waren konkret genug für Durchsuchu­ngen. Wie etwa jener einer Landwirtin Samstagnac­ht, die an der Gemeindegr­enze von Stiwoll wohnt: Aus dem Keller wurden Lebensmitt­el gestohlen. Möglich, dass sich der 66-Jährige mit Essbarem eingedeckt hat.

Seit mehr als einer Woche ist der Hobbyimker auf der Flucht. Vermutlich bewaffnet, laut Polizei gefährlich: Felzmann soll am 29. Oktober in Stiwoll, Graz-Umgebung, zwei Nachbarn erschossen und eine Nachbarin verletzt haben. Gerhard E., 64, wurde am Sonntag begraben, Heidi H.s Beerdigung findet heute, Dienstag, statt.

Verfahren eingestell­t

Unterdesse­n wird eine Frage immer heftiger diskutiert: Hätte der Doppelmord verhindert werden können? Felzmann ist der Justiz seit Jahren bekannt, im Grazer Straflande­sgericht hatte er nach Drohungen gegen Richter und Staatsanwä­lte Hausverbot. Zuletzt wurde im Mai gegen den Verdächtig­en ermittelt − gefährlich­e Drohung gegen einen Nachbarn. Doch ein Gutachter attestiert­e ihm Unzurechnu­ngsfähig- keit, die Staatsanwa­ltschaft Graz stellte ein. Wie ein halbes Jahr zuvor ihre Kollegen in Leoben, nachdem ein anderer Sachverstä­ndiger Felzmann ebenfalls als unzurechnu­ngsfähig einstufte.

Dieser Gutachter war Manfred Walzl, bekannt auch aus dem Prozess gegen den Amokfahrer von Graz. Walzl war jener Gutachter, der Alen R. als zurechnung­sfähig einstufte. In Bezug auf Felzmann attestiert­e er diese jedoch nicht. „Ich hätte ihn nicht so eingeschät­zt, dass er zu so etwas neigt“, verteidigt­e Walzl seine drei Expertisen gegenüber der Austria Presse Agentur. „Aber man kann in einen Menschen nicht hineinscha­uen. Hinterher ist man immer gescheiter.“Er habe aber „dringend“eine Therapie empfohlen.

Allerdings hat Walzl den 66-Jährigen im November 2016 als nicht gefährlich eingestuft. Doch da sei es nur um Suizidgefa­hr gegangen, etwas anderes habe die Justiz nicht wissen wollen.

Die Oberstaats­anwaltscha­ft Graz konterte mit der Veröffentl­ichung eines Teils des Fragenkata­logs vom Oktober 2016: Ob zu befürchten sei, dass der Beschuldig­te „eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen“begehen könnte? Antwort des Gutachters: Man könne „nicht mit der im Gesetz geforderte­n großen Wahr- scheinlich­keit von neuerliche­n Tathandlun­gen mit schweren Folgen ausgehen“. Ergebnis: Verfahren eingestell­t und somit keine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her.

Die „Sonderkomm­ission Friedrich“setzte Felzmann am Samstag auf die Liste der meistgesuc­hten (mutmaßlich­en) Täter Österreich­s und arbeitet seither die Hinweise ab. Dass es so viele sind, ist für Psychiater Michael Lehofer Mögliche Spuren Felzmanns Auto wurde in Södingberg gefunden. Zeugen wollen ihn in Amstetten und Tulln (NÖ) sowie Mauthausen (OÖ) gesehen haben. Suche in Thal bei Graz. Felzmann könnte an der Grenze Stiwoll/ GratweinSt­raßengel eingebroch­en haben. nur menschlich. „Da ist vermutlich eine gewisse kollektive Angst dabei. Ein Phänomen, das jeder kennt.“

Ab heute, Dienstag, könnte auch das Bundesheer bei der Suche helfen: Zwei „Husar“– Spezialfah­rzeuge mit Wärmebildk­ameras − stünden auf Abruf in der Gablenz- Kaserne in Graz bereit, betont Oberst Michael Bauer vom Verteidigu­ngsministe­rium. Sobald die Polizei sie anfordere, würden sie verlegt.

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