„Hinterher ist man immer gescheiter“
Stiwoll. Gutachter und Justiz schieben einander Verantwortung für Ermittlungseinstellungen gegen Flüchtigen zu
Mehr als hundert Hinweise auf Friedrich Felzmann hat die Polizei erhalten. Doch nur wenige Tipps zu dessen Versteck waren konkret genug für Durchsuchungen. Wie etwa jener einer Landwirtin Samstagnacht, die an der Gemeindegrenze von Stiwoll wohnt: Aus dem Keller wurden Lebensmittel gestohlen. Möglich, dass sich der 66-Jährige mit Essbarem eingedeckt hat.
Seit mehr als einer Woche ist der Hobbyimker auf der Flucht. Vermutlich bewaffnet, laut Polizei gefährlich: Felzmann soll am 29. Oktober in Stiwoll, Graz-Umgebung, zwei Nachbarn erschossen und eine Nachbarin verletzt haben. Gerhard E., 64, wurde am Sonntag begraben, Heidi H.s Beerdigung findet heute, Dienstag, statt.
Verfahren eingestellt
Unterdessen wird eine Frage immer heftiger diskutiert: Hätte der Doppelmord verhindert werden können? Felzmann ist der Justiz seit Jahren bekannt, im Grazer Straflandesgericht hatte er nach Drohungen gegen Richter und Staatsanwälte Hausverbot. Zuletzt wurde im Mai gegen den Verdächtigen ermittelt − gefährliche Drohung gegen einen Nachbarn. Doch ein Gutachter attestierte ihm Unzurechnungsfähig- keit, die Staatsanwaltschaft Graz stellte ein. Wie ein halbes Jahr zuvor ihre Kollegen in Leoben, nachdem ein anderer Sachverständiger Felzmann ebenfalls als unzurechnungsfähig einstufte.
Dieser Gutachter war Manfred Walzl, bekannt auch aus dem Prozess gegen den Amokfahrer von Graz. Walzl war jener Gutachter, der Alen R. als zurechnungsfähig einstufte. In Bezug auf Felzmann attestierte er diese jedoch nicht. „Ich hätte ihn nicht so eingeschätzt, dass er zu so etwas neigt“, verteidigte Walzl seine drei Expertisen gegenüber der Austria Presse Agentur. „Aber man kann in einen Menschen nicht hineinschauen. Hinterher ist man immer gescheiter.“Er habe aber „dringend“eine Therapie empfohlen.
Allerdings hat Walzl den 66-Jährigen im November 2016 als nicht gefährlich eingestuft. Doch da sei es nur um Suizidgefahr gegangen, etwas anderes habe die Justiz nicht wissen wollen.
Die Oberstaatsanwaltschaft Graz konterte mit der Veröffentlichung eines Teils des Fragenkatalogs vom Oktober 2016: Ob zu befürchten sei, dass der Beschuldigte „eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen“begehen könnte? Antwort des Gutachters: Man könne „nicht mit der im Gesetz geforderten großen Wahr- scheinlichkeit von neuerlichen Tathandlungen mit schweren Folgen ausgehen“. Ergebnis: Verfahren eingestellt und somit keine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.
Die „Sonderkommission Friedrich“setzte Felzmann am Samstag auf die Liste der meistgesuchten (mutmaßlichen) Täter Österreichs und arbeitet seither die Hinweise ab. Dass es so viele sind, ist für Psychiater Michael Lehofer Mögliche Spuren Felzmanns Auto wurde in Södingberg gefunden. Zeugen wollen ihn in Amstetten und Tulln (NÖ) sowie Mauthausen (OÖ) gesehen haben. Suche in Thal bei Graz. Felzmann könnte an der Grenze Stiwoll/ GratweinStraßengel eingebrochen haben. nur menschlich. „Da ist vermutlich eine gewisse kollektive Angst dabei. Ein Phänomen, das jeder kennt.“
Ab heute, Dienstag, könnte auch das Bundesheer bei der Suche helfen: Zwei „Husar“– Spezialfahrzeuge mit Wärmebildkameras − stünden auf Abruf in der Gablenz- Kaserne in Graz bereit, betont Oberst Michael Bauer vom Verteidigungsministerium. Sobald die Polizei sie anfordere, würden sie verlegt.