Zwei Vorwürfe, drei Zeugen, viele Verschwörungstheorien
Fragen & Antworten. Was wird Pilz vorgeworfen – was vermutet er dahinter?
Seit vergangenem Freitag gehen rund um den Neo-Parteigründer Peter Pilz wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung die Wogen hoch. Am Samstag kündigte Pilz deshalb an, sein Nationalratsmandat nicht annehmen zu wollen. Zwischenzeitlich war auch das nicht mehr ganz klar, so wie viele weitere Aspekte in der Causa nebulös sind. Der KURIER gibt einen Überblick.
? Was Peter Pilz wird vorgeworfen?
Es geht um zwei völlig unabhängige Fälle des Vorwurfs der sexuellen Belästigung: Im Jahr 2013 soll der damalige Grüne beim Forum Alpbach in Tirol eine Mitarbeiterin der ÖVP aus Brüssel betrunken „aggressiv angegrapscht“haben“. Es gibt zumindest zwei Zeugen, die das bestätigen. Beim anderen Fall handelt es sich um mutmaßliche sexuelle Belästigung in mehreren Fällen von Pilz aus dem Jahr 2015, die von einer ehemaligen Mitarbeiterin von Pilz dokumentiert worden sind. Dieser Fall wurde auch von der Gleichbbehandlungsanwaltschaft behandelt.
? Was soll sich genau in Alpbach zugetragen haben?
Pilz soll sich in betrunkenem Zustand einer Frau von hinten genähert haben. „Seine Hände waren überall“, berichtete die Frau gegenüber dem Falter, „zuerst umklammerte er meinen Arm, mit der anderen Hand war er meinem Hals und dann an meinem Busen und Rücken. Auch sein Gesicht war viel zu nahe an mir. Ich konnte mich nicht bewegen, nicht atmen, geschweige denn wehren.“Zwei Zeugen, die Pilz dann von der Frau weggezogen haben sollen, bestätigen die Darstellung der Frau.
? Ist wer die bekannt, Zeugen sind?
Ein Zeuge ist der Banker Christian Niedermüller. Er ist Finanz- und Risikochef der bundeseigenen Abbaubeteiligungsgesellschaft des Bundes (ABBAG). Niedermüller hatte vergangenen Freitagabend erstmals via Twitter den Vorfall öffentlich gemacht. Der andere Zeuge, der das Geschehen gegenüber dem KURIER bereits am Samstag bestätigt hatte, ist der Anwalt und Vorsitzende der SPÖ-„Sektion ohne Namen“, Oliver Stauber.
? Pilz vermutet auch hinter dem Vorfall in Alpbach eine Intrige. Worum geht es da?
Stauber – gebe es einen dritten Zeugen, der bereit sei, in einem Gerichtsverfahren als Zeuge zur Verfügung zu stehen. Dieser sei beruflich im Ausland tätig und habe nichts mit der heimischen Innenpolitik zu tun. Stauber verlangt von Pilz inzwischen, den Vorwurf der politischen Intrige zu widerrufen und droht mit rechtlichen Schritten.
? Was sagt Pilz zu dem Vorfall in Alpbach?
Am Samstag erklärte Pilz noch in einer Pressekonferenz: „An diesen Vorfall (...) kann ich mich persönlich nicht erinnern. Aber persönliche Erinnerungslosigkeit ist keine Entschuldigung.“Aufgrund dieser Vorwürfe, die er „äußerst ernst nehme“, werde er sein Parlaments-Mandat nicht annehmen. Montagmorgen klang das schon wieder anders: Da sagte er im ORF- Radio: „Ich bin mir sicher, dass das in Tirol nicht passiert ist. Aber ich brauche einige Zeit, um das Ganze zu rekonstruieren. Und ich weiß heure schon einiges meht, als ich am Samstag gewusst hatte. Inzwischen ist es mir gelungen, fast den gesamten Abend zu rekonstruieren.“Er werde, so Pilz weiter, „möglicherweise auch noch ein paar Tage brauchen, um zu erfahren, warum ein Kandidat auf der Nationalratswahlliste der SPÖ hier eine zentrale Rolle gespielt hat“(gemeint ist Zeuge Stauber, Anm.). Er werde auch versuchen, noch andere politische Hintergründe herauszubringen.
? Zum zweiten Fall, in dem Pilz vorgeworfen wird, eine Kollegin im Grünen Klub mehrfach sexuell belästigt zu haben: Woher kommen diese Informationen?
Das ist noch nicht geklärt. Die Grünen behaupten, die Sache nicht an die Öffentlichkeit gespielt zu haben. Pilz’ Anwalt und neuer politischer Mitstreiter Alfred Noll meint, die Informationen könnten nur aus dem Klub gekommen sein. Nun kursieren mehrere Theorien in den Medien. Eine davon deutet sogar auf eine Neos-Beteiligung im Fall der ehemaligen Pilz-Mitarbeiterin hin: Die zuständige Gleichbehandlungsanwältin kandidierte für die Pinken im Burgenland. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat allerdings bereits ausgeschlossen, dass die Unterlagen von ihr an Medien weitergegeben wurden.
? Also könnten die Informationen doch von den Grünen kommen? Schließlich ist der Erfolg der Liste Pilz bei der Parlamentswahl mit ein Grund, warum die Grünen aus dem Hohen Haus geflogen sind.
Ob die Grünen am „Leak“beteiligt sind, ist bisher nicht klar. Spekuliert wurde, dass die kürzlich geübte massive Kritik der Liste Pilz an Heumarkt-Befürworter Christoph Chorherr von den Wiener Grünen ein möglicher Auslöser gewesen sein könnte. Auch die Ankündigung von Pilz, mit seiner Liste möglicherweise bei der nächsten Wien-Wahl anzutreten, wurde als Motiv genannt. Eva Glawischnig, die damals als Grünen-Chefin mit den Vorwürfen gegen Pilz konfrontiert wurde, wies noch am selben Tag jeglichen Vorwurf einer „politischen Intrige“zurück. Ein weiteres Gerücht handelt von einem ÖVP-nahen Berater, der die Causa den Medien zugespielt haben könnte. Auf Twitter verwiesen mehrere Journalisten auf Parallelen zur Causa Silberstein. Auch da hätten dieselben Medien, Profil und Presse, zeitgleich ihnen zugespielte Informationen veröffentlicht.
? Warum die handelten Grünen nicht früher?
Die frühere Grünen Chefin Eva Glawischnig wäre für einen sofortigen Rauswurf von Peter Pilz gewesen, hätten die Belästigungsvorwürfe gegen Pilz im Jahr 2016 endgültig geklärt werden können. Weil die betreffende Mitarbeiterin dem nicht zugestimmt hatte – da sie eine „öffentliche Bloßstellung und Stigmatisierung“befürchtete –, sei es nicht dazu gekommen, sagte Eva Glawischnig am Montag im Ö1-„ Mittagsjournal“. Man habe den Opferschutz im Klub sehr ernst genommen, die Gleichbehandlungsanwaltschaft habe dies auch bestätigt, so die Ex-Grünen-Chefin.