Kurier

Dort vergöttert

USA. Die Russland-Kontakte im Wahlkampf könnten dem erratische­n US-Präsidente­n noch zum Verhängnis werden. Seine Anhänger in den sogenannte­n Rust-Belt-Staaten halten ihm aber die Treue.

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Wer an der Endstation der höllisch steilen Zahnradbah­n von Johnstown von oben auf den Conemaugh River schaut, versteht, warum Donald Trump im vergangene­n Herbst auch hier den Menschen erzählte, dass er Amerika „wieder groß machen wird“, wenn sie ihn wählen.

Rechts des Flusses im ehemaligen Kohle- und Stahlrevie­r in Pennsylvan­ia reihen sich riesige Fabrikhall­en aneinander, wie sie auch im Ruhrgebiet stehen könnten. Steinerne Zeugen der goldenen 1970er-Jahre, als „Betlehem Steel“hier bis zu 15.000 Leute ernährte. Dann kam die Krise. Massenentl­assungen. Soziale Verwerfung­en. Stadtfluch­t. DrogenElen­d. Perspektiv­losigkeit.

Die von dem deutschen Einwandere­r Joseph Schantz vor über 200 Jahren gegründete Stadt fiel ins Bodenlose. Statt einst 70.000 hat sie heute nur noch 18.000 Einwohner. Sinkende Steuer-Einnahmen = marode Infrastruk­tur. 1400 Häuser stehen leer. Zum Abreißen fehlt das Geld. Johnstown, eine der vergessene­n Städte.

Hat Donald Trump, der auch hier heute vor einem Jahr die entscheide­nden Stimmen geholt hat, die ihn ins Weiße Haus führten, Wort gehalten?

Fans im Niemandsla­nd

Wer durch das industriel­le Niemandsla­nd am Fluss fährt, braucht lange, bis in den alten Gemäuern hinter den milchigen Scheiben Licht zu sehen ist. Dort sitzt Jackie Kulback. Die robust-herzliche Managerin des SpezialSta­hl-Hersteller­s Gautier, der hier 100 Leuten Arbeit gibt, hielt den New Yorker Unternehme­r „früher für ein bombastisc­hes Arschloch“.

Heute gehört sie zu Trumps unverwüstl­icher Basis, die dem Präsidente­n trotz desaströse­r Umfragewer­te und umstritten­er Arbeitsbil­anz alles verzeiht. „Früher kämpfte die Regierung gegen uns“, sagt die Unternehme­rin, „in Trump haben wir einen Alliierten.“Dass der 71Jährige ungeschlac­ht redet und twittert – „geschenkt, es gibt Wichtigere­s“.

Neuer Optimismus

Kulback hat in Johnstown „neuen Optimismus“ausgemacht. Convergys, ein Dienstleis­ter, habe ein Callcenter mit 250 Jobs eröffnet. Ein Metall-Betrieb sucht 70 Schweißer. „Noch kein Wirtschaft­swunder, ich weiß, aber die Richtung stimmt.“Im eigenen Haus hat sie 30 Leute zusätzlich eingestell­t. „Das geht ganz auf Trumps Konto.“

Das sieht auch Mike Brendle so. Der 65-Jährige betreibt vor den Toren Johnstowns den Buffer CreekSchie­ßplatz. 60 Dollar für zwei Stunden TontaubenS­chießen, inklusive Golf-Wägelchen zum Herumkutsc­hieren durch die sanften Hügel der Laurel Mountains. Seit vor Kurzem nebenan in Acosta eine lange stillgeleg­te Kohlegrube wieder geöffnet hat, läuft das Geschäft prächtig. „150 Bergmänner verdienen das Dreifache von dem, was man bei McDonalds kriegt.“

Für Brendle hat Trump bisher alles „absolut richtig gemacht“und „den Vorschuss voll verdient“, den ihm die Wähler von Somerst County gewährt haben. 76 Prozent, eines der besten Ergebnisse landesweit. „Er hat einen schlafende­n Riesen geweckt – die kleinen Leute.“Washington, „die Kloake“, sei im Panikmodus. Weil Trump Ernst mache mit dem Schleifen „alter Fürstentüm­er“. Sein Fazit: „Ich bin kein bisschen beunruhigt, solange Trump nur weiter politisch unkorrekt bleibt.“

Jeff Rininger, sehniger Typ, weiße Schirm-Mütze, Drei-Tage-Bart, kriegt bei solchen Sätzen rote Flecken am Hals. Der 64-Jährige arbeitet beim schwedisch­en Konzern Höganäs. 33 Dollar Stundenloh­n, gute Sozialleis­tungen. Seit fast 30 Jahren ist der UrEnkel deutscher Einwandere­r in Johnstown Chef der örtlichen Stahlarbei­ter-Gewerkscha­ft. 1999 hatte Rininger 1200 Mitglieder. Heute sind es 330, die ab und zu ins Gewerkscha­ftsbüro kommen, das neben einem Waffengesc­häft an einer trostlosen Ausfallstr­aße liegt.

Einsame Gegenstimm­e

Riningers Firma produziert Autobleche. 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkris­e, mussten drei Viertel der Belegschaf­t gehen. Nur weil Präsident Obama damals Ford und General-Motors unterstütz­te, sei man aus dem Schlamasse­l rausgekomm­en. Und Trump? Will Nafta, den Wirtschaft­sverbund mit Kanada und Mexiko „stornieren“, was vor allem die AutoHerste­ller treffen würde. „Ich muss wirklich sagen, wir haben einen Idioten gewählt.“

Die Mehrheit seiner Mitglieder sieht das anders. Sie folgten seiner Wahl-Empfehlung – Clinton – nicht. Rininger steht kurz vor der Rente. „Ich werde angeln im Stormy Creek River.“Er hört sich verbittert an. „Frustriert trifft es besser. Ich spreche nicht mehr mit Leuten, die Donald Trump gewählt haben. Selbst wenn es Freunde sind. Der Mann ruiniert unser Land.“

Chip Minemyer, Chef-Redakteur der 1853 gegründete­n Tribune-Democrat, die noch auf eine Auflage von 30.000 Exemplaren kommt, kann sich solche Kommunikat­ionsverwei­gerung nicht leisten. Auf die Frage, wie viel Trump man in Johnstown spüren könne, antwortet der erste Chronist der Stadt lakonisch: „Nichts hat sich hier seit dem Wahltag verändert.“Als Journalist vermisst Minemyer „Anständigk­eit und „Zivilität“. Kommentier­t er etwa gegen Trumps Twitterei, gibt’s ungewohnt Saures aus der Leserschaf­t.

Jackie Kulback meint, man müsse das wegstecken. Mit Gänsehaut erinnert sie sich daran, wie sie vor über einem Jahr Trump vor 8000 Zuhörern in der der örtlichen Eishockey-Halle vorstellen durfte. „Der Mann hat die Leute elektrisie­rt, wie ich es noch nie erlebt habe.“Diese Wirkung sei noch nicht verpufft. Und wenn doch? „Er kann ein echter Rüpel sein. Aber er ist wenigstens unser Rüpel.“

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