Warum die „Rechten“rechts und die „Linken“links sind
Der neue Nationalrat. Wer wo im Parlament sitzt
Morgen, Donnerstag, konstituiert sich der neu gewählte Nationalrat im Ausweichquartier im Großen Redoutensaal der Wiener Hof burg. Und traditionsgemäß nehmen die „rechten“Abgeordneten rechts (von der Regierungsbank aus gesehen) Platz und die „linken“links. Wie aber ist es dazu gekommen?
Österreich hat im Lauf seiner Geschichte fast alle nur möglichen Koalitionen erlebt. In der Monarchie herrschten die Kaiser jahrhundertelang unumschränkt, waren also praktisch auch Regierungschefs. Erst ab 1860 gibt es Regierungen im heutigen Sinn.
Von da an mussten sich die Minister gegenüber den Abgeordneten im Reichsrat verantworten, in dessen Parlamentsklubs auf der einen Seite die liberalen Zentralisten, auf der anderen die konservativen Föderalisten saßen: die Vorläufer unserer Parteien.
Links und rechts
Die Liberalen wurden bald „Linke“genannt, die Konservativen „Rechte“. Weil die einen im Reichsrat links, die anderen rechts (vom Blickwinkel des Ministerpräsidenten aus gesehen) saßen.
Als die konservative Regierung unter Eduard Graf Taaffe 1893 gestürzt wurde, kam es zur ersten Koalition zwischen Rechten und Linken (wobei letztere noch nichts mit den Sozialdemokraten zu tun hatten).
Ab 1907 konnten erstmals alle männlichen Österreicher, die älter als 24 Jahre waren, wählen. Frauen aber erst ab 1920, weil in der Monarchie nur jene Personen über die Spitzen des Staates befinden sollten, die Steuern zahlten. Und da es kaum berufstätige Frauen gab, schieden sie als Wählerinnen aus.
Obwohl die Sozialdemokraten 1907 zur stärksten Partei gewählt wurden, gelangten sie nicht in die Regierung, weil sich Christlichsoziale und Katholisch-Konservative zusammenschlossen. In der Ersten Republik gehörten die „Linken“(Sozialdemokraten) nur den Kabinetten 1918 bis 1920 (unter Staatskanzler Karl Renner) an.
Hauchdünne Mehrheit
Die Christlichsozialen koalierten in den darauffolgenden Jahren meist mit den Deutschnationalen, 1930 lehnte der Sozialdemokrat Otto Bauer das Angebot des Christlichsozialen Ignaz Seipel zur Bildung einer großen Koalition ab. Wodurch ganz knappe Mehrheiten entstanden. Der Extremfall trat 1932 ein, als der christlichsoziale Kanzler Engelbert Dollfuß mit den Kleinparteien Landbund und Heimatblock eine Regierung bildete, die im Parlament über eine hauchdünne Mehrheit von nur einer Stimme verfügte. Einmal ließ sich der todkranke Altkanzler Seipel auf einer Bahre in den Plenarsaal tragen, um für die Regierung stimmen zu können. Er starb wenige Tage danach.
Auch wenn sich die Parteien in den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten total verändert haben, so ist das eine im Wesentlichen gleich geblieben: Rechts sitzt rechts, und links sitzt links. Nur die Freiheitlichen nehmen neuerdings in der Mitte Platz.
georg.markus@kurier.at