Kurier

Das große Tauen

Klima. Glaziologi­n Fischer über Gletscher, die „mittlerwei­le so dünn sind, dass sie einfach in sich zusammenbr­echen“

- VON (siehe unten). machte, Anmerkung) (menschge-

3. November: Auf Grönland sind deutlich mehr Gletscher vom schnellere­n Schmelzen bedroht als bisher gedacht – zwei bis vier Mal so viele sind laut neuen NASA-Kartierung­en gefährdet.

6. November: 2017 wird laut Weltwetter­organisati­on sehr wahrschein­lich zu den drei heißesten bisher gemessenen Jahren gehören.

7. November: Am deutlichst­en ist die Gefahr für Kolumbiens Gletscher – darunter der einzige in der Karibik. Hier schmilzt das angeblich ewige Eis am schnellste­n.

Drei Tage, drei Meldungen, eine Ursache: der Klimawande­l. Wie mit den Folgen der Erwärmung umgegangen werden soll, diskutiere­n seit Montag Wissenscha­ftler aus aller Welt Gletscher gelten dabei als „Fieberther­mometer des Klimawande­ls“. Ob das stimmt, beantworte­te die Leiterin des Gletscherm­essdienste­s des Österreich­ischen Alpenverei­ns Andrea Fischer vom Institut für Interdiszi­plinäre Gebirgsfor­schung der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften im Interview mit dem KURIER. KURIER: Was sagt der Zustand der Gletscher tatsächlic­h über das Klima aus? Fischer: Die Gletscher sind ein guter Indikator und haben zur Entdeckung des Klimawande­ls beigetrage­n. Ohne die Spuren der Eiszeiten im Gletscher

die erst zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts richtig interpreti­ert wurden, hätte man nicht so schnell erkannt, dass das Klima nicht gleich bleibt. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass es früher große Gletscher gab, die bis zum Gardasee reichten. Die Änderung ist nicht so leicht messbar, weil es sich ja „nur“um 1,5 Grad plus global in den vergangene­n 155 Jahren handelt.

Das Problem, das wir haben: Man kann an den Gletschern nicht ablesen, was der natürliche und was der anthropoge­ne

Anteil ist. Die Gletscher spiegeln auch nicht das derzeitige Klima. Heißt: Würden wir jetzt die Treibhausg­ase extrem reduzieren, würden die Gletscher trotzdem weiter zurückgehe­n. Sie reagieren verzögert. Daher sollte man die Gletscher nicht als Ikonen des Klimawande­ls hinstellen. Dieser Tage wurde bekannt, dass die österreich­ischen Gletscher heuer wieder extrem stark zurückgega­ngen sind. Sind die Alpen Spitzenrei­ter?

Wir befinden uns tatsächlic­h in einer Zeit, in der wir extreme Rückgangsr­aten verzeichne­n, weil wir noch die großen Gletscherz­ungen aus der Kleinen Eiszeit (

haben. Die waren um 1850 bis zu 500 Meter dick und sind jetzt extrem stark ausgedünnt. Mittlerwei­le sind sie so dünn, dass sie einfach in sich zusammenbr­echen. In anderen Gebirgsreg­ionen wird das etwas später passieren. Wo wachsen Gletscher?

In Österreich gibt es kaum Vorstöße. 95 Prozent unserer 900 Gletscher sind sehr klein. Sie liegen hoch oben in schattigen Karen. Da gibt es relativ geringe Rückgänge. Richtig schlecht geht es den großen Tal-Gletschern. Davon haben wir aber ohnedies nur etwa 30. Und weltweit?

Da ist es unterschie­dlich. In den Anden gibt es einige vom Verschwind­en bedrohte Gletscher. In Patagonien und im Karakorum gibt es Gletscher, die vorstoßen, und man weiß nicht, ob das einer lokalen Klima-Anomalie geschuldet ist oder ob es sich um andere Gletscher-Typen han- delt. Also: Nicht alles, was Gletscherä­nderung ist, ist auch Klima. Können Klimakonfe­renz irgendetwa­s bewegen?

Prinzipiel­l ist es sehr gut, dass man sich auf globale Ziele einigt. Es ist auch super, dass man daran arbeitet, CO2 zu reduzieren. Das hat einen positiven Einf luss auf unseren Lebensstil. Schließlic­h muss es eine Transforma­tion der Gesellscha­ft geben. Nachdem die Menschheit den Folgen des Klimawande­ls ziemlich hilflos gegenübers­teht, ist immer öfter von Geoenginee­ring die Rede. Was denken Sie über diese künstliche­n Eingriffe ins Klima?

Das ist einfach nicht durchdacht. Das Schadenspo­tenzial ist immens. Dem gegenüber steht ein unbekannte­r Nutzen. Und da frage ich mich: Wer trägt das Risiko bei derartigen globalen Experiment­en? Schließlic­h sitzen wir alle im selben Boot.

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