Gewinn auf ganzer Linie Lesen als psychologische Kraft.
Wie Bücher uns helfen, den Alltag zu meistern
Die Definition ist wenig prosaisch. „Lesen ist das visuelle Wahrnehmen von Schriftzeichen zur Erfassung von Information aus Texten und deren Zuordnung zu einem spezifischen Bedeutungsgehalt“. Damit wird man dem Tun aber bei Weitem nicht gerecht. Lesen ist mehr, als Wörter, Sätze zu decodieren. Es ist auch kein reiner netter Zeitvertreib. Lesen kann heilsam sein, Balsam für die Seele. Das werden Menschen, die ihre Nase gerne und ausgiebig in Bücher stecken, sicherlich bestätigen. Aber nicht nur sie sind davon überzeugt. Es gibt auch Therapeuten, die auf die Wirkung von Büchern setzen.
Bewiesene Kraft
Für die Psychologin Maja Djikic ist vor allem das Lesen von Fiktion – also Romanen, Liebesgeschichten, auch von Thrillern und Klassikern – alles, nur keine Zeitverschwendung. Wer in andere Welten eintaucht, profitiert im realen Leben. Das hat die Leiterin des Langer Mindfulness Institute der University of Toronto in einer Studie bewiesen. Für diese ließ Maja Djikic zahlreiche Probanden wahlweise Fiktion oder Sachbücher lesen. Das Ergebnis: Romanle- ser konnten durch unvorhergesehene Situationen, mit denen sie schon bei der Lektüre konfrontiert wurden, auch im echten Leben besser mit solchen umgehen. „Sie haben ein geringeres Bedürfnis nach kognitiver Geschlossenheit, also weniger Probleme mit unklaren, unvorhersehbaren Situationen und Chaos“, sagte die Psycho- login abschließend dazu. Dazu käme, dass das Lesen von Romanen die Empathie fördere, da die Leser sich ständig in neue Figuren hineinversetzen.
Mehr als nur Buchstaben
Lesen schult also für das wahre Leben. Es ist aber auch ein Wissensgewinn – in mehrfacher Hinsicht. Der Leser sam- melt Fakten, lernt immer wieder Neues kennen und taucht ein in Leben und Welten, die dem seinen fremd sind. Das kann auch befreiend sein, schreibt der Psychologe Thomas Saum-Aldehoff in einem seiner Untersuchungen: „Der Urlaub in der Fiktion biete Erholung von der anstrengenden, selbstfokussierten Aufmerksamkeit, die uns durch den Alltag begleitet: endlich mal frei sein von der ständigen Bewertung und Kritik des eigenen Tuns!“Das ist doch ein gutes Argument, sich noch heute mit einem neuen Roman auf die Couch zu verziehen ...