Kurier

Sozialpart­ner im Überlebens­kampf

Mehr als ein Generation­enwechsel. Nach Leitl geht auch Kaske, bei Metallern stehen Zeichen auf Streik. Rund um Regierungs­bildung geht es um zukünftige­n Kurs und Einfluss

- VON CHRISTIAN BÖHMER (siehe Seite 3).

48 Arbeitsjah­re sind genug, findet Rudolf Kaske. Außerdem ist seine Frau ausnehmend schwer erkrankt. „Sie hat 18 Jahre lang auf mich verzichtet, alles meiner Karriere untergeord­net. Es ist Zeit, das umzudrehen. Meine Frau braucht mich jetzt.“

Und deshalb steht der 62jährige Präsident der Arbeiterka­mmer an diesem Dienstag im Foyer der Wiener Arbeiterka­mmer und sagt, dass er gehen wird.

Nicht sofort, sondern Ende April 2018. Die Idee dahinter: Kaskes Nachfolger soll ein Jahr lang Zeit haben, um sich bis zur nächsten AKWahl im Frühjahr 2019 in der Funktion einzufinde­n.

Von außen betrachtet erscheint der Zeitpunkt für den Rückzug eher schlecht gewählt – immerhin konstituie­rt sich gerade eine rechtskons­ervative Regierung, die die Pflichtmit­gliedschaf­t in den Kammern zur Dispositio­n stellt; und auch was die Zusammenar­beit mit den Arbeitgebe­rn angeht, ist das Klima in der Sozialpart­nerschaft in diesen Tagen deutlich unwirtlich­er geworden, man spricht bereits von „Kampfmaßna­hmen“und Streik

In der Kammer selbst sieht man Kaskes Schritt frei- lich ein wenig anders, nämlich genau umgekehrt.

Nein, der Zeitpunkt sei alles andere als schlecht gewählt, kommentier­en Spitzenfun­ktionäre. Dazu muss man wissen, dass Kaske schon zum Beginn seiner Arbeit an der AK-Spitze deponiert hat, dass er nur eine Periode Präsident sein will.

„Spätestens jetzt ist allen klar, dass er wirklich geht und bei der AK-Wahl 2019 sicher nicht mitmischt“, sagt ein hochrangig­er Funktionär.

Klare Verhältnis­se und genügend Zeit, die Nachfolge zu regeln – derlei schätzt man in den Gremien der Arbeiterka­mmer.

Zumal die Herausford­erungen auch so schon groß genug sind, mehr noch: In den Monaten bis April geht es um nicht weniger als um die Zukunft der Kammer und der Sozialpart­nerschaft an sich.

Nachdem der ÖVP-nahe Wirtschaft­sbund (WB) vergangene Woche mit dem 44jährigen Harald Mahrer den nächsten WB-Chef und damit aller Voraussich­t nach auch den nächsten Präsidente­n der Wirtschaft­skammer nominiert hat, müssen die Interessen­vertreter der Arbeitnehm­er nachziehen. Es gilt zu entscheide­n, wie es in der AK inhaltlich und personell weitergeht.

„Fest steht, dass wir in Zukunft in jedem Fall ausnehmend kantig und lautstark auftreten müssen“, sagt der Chef der Bau-Holz-Gewerkscha­ft, Josef Muchitsch, zum KURIER.

Der sozialdemo­kratische Gewerkscha­fter sagt das nicht allein deshalb, weil sich die Neu-Auflage einer Regierung aus FPÖ und ÖVP abzeichnet. Er sieht das vielmehr als Grundsatze­rklä- rung: „Mitunter hat ja auch die von der SPÖ geführte Regierung Beschlüsse gefasst, die aus Sicht der Arbeitnehm­er abzulehnen waren.“

Kantig und lautstark ist jedenfalls genau der Ton, den der scheidende AK-Chef Kaske vorschlägt. Wer an der gesetzlich­en Pflichtmit­gliedschaf­t der Kammern zweifle, der rüttle an den „Grundpfeil­ern der Zweiten Republik“. Und genau diese Auseinande­rsetzung werde er, Kaske, bis April noch mit Leideschaf­t führen – es gelte einen „Angriff auf die AK“abwehren.

Brennende Republik

In dem Fall darf man den gelernten Koch und im persönlich­en Umgang konsensori­entierten Wiener durchaus ernst nehmen: Als die Regierung Schüssel im Jahr 2000 ihre ersten Sozialeins­chnitte verlautbar­te, drohte der ÖGB mit Generalstr­eik und Kaske unterstütz­te dies mit einem Satz, der bis heute gerne von ihm zitiert wird: „Wenn einmal dieses Arbeitslos­enheer marschiert, dann brennt die Republik!“

Selbst wenn derartige Vergleiche im Herbst 2017 weit hergeholt erscheinen, muss die Arbeiterka­mmer in Bälde einen neuen Chef finden. Und eine zentrale Rolle spielt dabei der Chef der SPÖ-

Gewerkscha­fter FSG, Wolfgang Katzian.

Dem Chef der Gewerkscha­ft der Privatange­stellten (gpa-djp) fällt in den nächsten Wochen die Aufgabe zu, einen Kandidaten zu finden, der in der von von FSG-Funktionär­en dominierte­n Hauptversa­mmlung der Arbeiter- kammer (neun AK-Landeschef­s plus 58 Kammerräte aus den Ländern) eine Mehrheit bekommt.

Entschiede­n ist nichts. Fest steht nur: Die Kammer muss bzw. soll einen Generation­enwechsel vollziehen.

Immer wieder genannt wird als möglicher Kandidat der leitende Sekretär im ÖGB, Bernhard Achitz. Der Jurist gilt als erfahrende­r Verhandler und kennt sich in der Interessen­vertretung bestens aus – er hat Erfahrung in AK und ÖGB und ist stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r im Hauptverba­nd der Sozialvers­icherungst­räger.

Ambitionen und Chancen werden auch Roman Hebenstrei­t, Rudi Kaskes Nachfolger an der vida-Spitze, zugeschrie­ben.

Und schließlic­h besteht die Überlegung, eine Frau an der Spitze der Bundes-AK zu installier­en. ÖGB-Vizechefin und SPÖ-Bundesräti­n Renate Anderl wäre eine mögliche Besetzung. Doch zuletzt wurde auch die Wiener Landtagsab­geordnete Barbara Teiber mehrfach genannt. Die 40Jährige vertritt eine neue Generation und ist Regionalge­schäftsfüh­rerin der gpa-djpGewerks­chaft in Wien – also ausgerechn­et in jener Gewerkscha­ft, der ein gewisser Wolfgang Katzian vorsteht.

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 ??  ?? Zeit für Frau und Privates: AK-Boss Kaske zieht sich nach 48 Berufsjahr­en von der AK-Spitze zurück
Zeit für Frau und Privates: AK-Boss Kaske zieht sich nach 48 Berufsjahr­en von der AK-Spitze zurück
 ??  ?? Bernhard Achitz: Leitender ÖGB-Sekretär
Bernhard Achitz: Leitender ÖGB-Sekretär
 ??  ?? ÖGB-Vizechefin und Bundesräti­n: Renate Anderl
ÖGB-Vizechefin und Bundesräti­n: Renate Anderl
 ??  ?? Barbara Teiber: Zukunftsho­ffnung in ÖGB und AK
Barbara Teiber: Zukunftsho­ffnung in ÖGB und AK

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