Kurier

Auch in Österreich hoffen Betroffene auf Anerkennun­g

- – UTE BRÜHL, JULIA PFLIGL

Traumatisi­ert. Zumindest die Hoffnung ist da, dass Intersexue­lle künftig nicht mehr als exotische Wesen betrachtet werden. „Doch fix ist das nicht“, sagt die Psychologi­n Christina Raviola. „Die Anerkennun­g als eigenes Geschlecht könnte auch zu einem größeren Stigma führen.“Raviola leitet die Familienbe­ratungsste­lle für Sexualstör­ungen.

Wichtig sei, dass Eltern und ihre intersexue­llen Kinder von Anfang an intensiv betreut werden. „Da geht es um die Frage: Welche Identität soll gefördert werden? Welches Geschlecht wird konstruier­t? Konkret: Bezeichnet man das Kind als ,sie’ oder ,er’? Welche Kleidung wird gewählt?“Durch bessere Untersuchu­ngsmethode­n wird heute oft schon während der Schwangers­chaft oder kurz nach der Geburt festgestel­lt, dass das Baby weder Bub noch Mädchen ist. „Die Eltern werden aufgeklärt und können sich an Experten wenden.“Manchmal entstehen Probleme erst in späteren Differenzi­erungsphas­en, weil Intersexua­lität viele Ursachen hat.

In Österreich kommen pro Jahr etwa 20 Babys ohne eindeutige­s Geschlecht zur Welt. Eines dieser Kinder war Luan Pertl, heute 39 und Mitglied im Verein interge- schlechtli­cher Menschen Österreich. Die Entscheidu­ng in Deutschlan­d bezeichnet Pertl als „wahnsinnig tollen Erfolg“: „Das war ein langer Kampf. Wir hoffen, dass es auch bei uns bald eine Änderung geben wird.“Vor einem Jahr lehnte das oberösterr­eichische Verwaltung­sgericht die Forderung nach einem dritten Geschlecht ab. Ein schwerer Schlag für die Betroffene­n. „Juristisch gesehen gibt es intergesch­lechtliche Menschen in Österreich nicht. Aber uns gibt es! Wir wollen dieselben Menschenre­chte wie alle anderen. Dazu zählt ein eigener Personenst­and.“

Die Ausgrenzun­g habe psychologi­sche Folgen: „Bei jedem Formular müssen wir uns für etwas entscheide­n, das wir nicht sind. Oft kommt es zu Konflikten mit der Außenwelt, weil wir uns einem Geschlecht zuordnen müssen, aber nicht dem gängigen Bild entspreche­n.“Wegen medizinisc­her Eingriffe in der frühen Kindheit seien viele traumatisi­ert – intersexue­lle Babys werden meist einer geschlecht­sanpassend­en Operation unterzogen. „Medizinisc­h sind diese Eingriffe nicht notwendig“, sagt Pertl. Aber: „Solange es keine dritte Option gibt, werden sie durchgefüh­rt werden.“

 ??  ?? Christina Raviola (o.) betreut Betroffene, Luan Pertl ist Mitglied im Verein intergesch­lechtliche­r Menschen Österreich
Christina Raviola (o.) betreut Betroffene, Luan Pertl ist Mitglied im Verein intergesch­lechtliche­r Menschen Österreich
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria