Die Monster müssen raus
Venedig. Kreuzfahrtschiffe dürfen bald nicht mehr bis vor den Markusplatz fahren, sie müssen außerhalb ankern
„Monster der Meere“und „schwimmende Hochhäuser“werden die riesigen Kreuzfahrtschiffe genannt, die sich täglich mehrmals durch die Lagune von Venedig schieben. Während sich Kreuzfahrttouristen an der historischen Kulisse und der bequemen Anlegestelle mitten im Zentrum erfreuen, sind die „Meereskolosse“für die Bewohner ein Albtraum.
Neue Anlegestelle
Nach jahrelangem Streit, versucht Verkehrsminister Graziano Delrio mit einem neuen Infrastrukturplan den „Kreuzfahrtwahnsinn“zu stoppen: Die riesigen Schiffe sollen künftig nicht mehr ins Zentrum der Lagunenstadt fahren, sondern im weniger attraktiven Viertel Marghera am Festland anlegen. Bis der notwendige Terminal im Industrieviertel gebaut ist, dauert es allerdings noch drei bis vier Jahre.
Umwelt- und Kulturschützer schlagen seit lan- gem Alarm: Das UnescoWeltkulturerbe Venedigs sowie das ökologische Gleichgewicht in der Lagune sind akut bedroht. Die meisten der 1500 Kreuzfahrtschiffe, die jährlich anlegen, sind höher als das höchste Haus in der Altstadt. Venedigs Bürgermeister Luigi Brunaro begrüßt den Vorstoß als ein „großes Ergebnis für die Venezianer“. Die Übergangszeit bis alle Kreuzfahrtschiffe aus der Lagune verbannt sein werden, stellt die Bewohner weiterhin auf eine Geduldsprobe.
„Jedes Mal, wenn einer dieser Monster vorbeifährt, zittern die Wände meiner Wohnung wie bei einem Erdbeben“, empört sich eine Signora, die in der Stadt wohnt.
„Venedig lässt sich bequem vom Land aus erreichen. Warum man dort mit einem gigantischen Kreuzfahrtschiff hinfahren muss, was ja viel teurer und vor allem umweltschädlicher ist, erschließt sich mir nicht. Das ist pure Dekadenz, die nicht sein muss“, so eine Bewohnerin. Sie fügt hinzu: „Ich fahren auch nicht aus Bequemlichkeit mit dem Auto ins Wohnzimmer oder lasse mich mit dem Hubschrauber auf dem Gipfel des Matterhorns absetzen.“
Tourismusunternehmen kritisieren den Plan und fürchten Geschäftseinbußen. Die Werbung mit einem der schönsten Kreuzfahrthäfen der Welt und einem Anlegeplatz nur wenige Minuten vom Markusplatz entfernt, lässt die Kassen klingeln. Die Kreuzfahrttourismus beschert Einnahmen von gut 500 Millionen Euro pro Jahr.
Disneyland Venedig
Der Massentourismus sorgt die Umweltorganisation „Italia Nostra“. Sie appelliert an die Unesco, denn jährlich besuchen 34 Millionen Menschen die Lagunenmetropole, zu Spitzenzeiten wie im Karneval strömen täglich 100.000 Besucher in die Stadt. Im Gegensatz dazu ist die Einwohnerzahl Venedigs auf ein Rekordtief gesunken: Nur noch 60.000 Menschen leben permanent in der Stadt.