Heiliger Abend ohne Shopping-Wahn
Handel. Deutsche streiten um Sonntagsöffnung am 24. Dezember. In Österreich sperren nur wenige auf; die „Sonntagsrebellen“verweigern
Die deutsche Gewerkschaft Verdi verschärft ihre bisherige Gangart und ruft zum Boykott jener Geschäfte auf, die am 24. Dezember aufsperren. Sie verlangt, dass Kunden dort auf ihren Weihnachtseinkauf verzichten. Die Empörung ist deswegen so groß, weil der Heilige Abend heuer auf einen Sonntag fällt.
Auch in Österreich wird darüber diskutiert. Unzählige Facebook-Einträge werden geteilt, bei denen Aufrufe wie „Sag Nein! Nein und noch mal Nein! zum verkaufsoffenen Sonntag am 24. Dezember 2017“„Wir brauchen keinen verkaufsoffenen Sonntag am 24. Dezember!“ zu lesen sind. Aber anders als bei den Deutschen dürfen in Österreich die Geschäfte lediglich in Tourismusgemeinden sonntags aufsperren – vorausgesetzt, es sind nur Familienangehörige und keine Arbeitnehmer beschäftigt. Während einzelne Kaufleute am 24. Dezember trotz- dem öffnen, bleiben vielfach sogar die Geschäfte sogenannter „Sonntagsrebellen“geschlossen.
Auf alle Fälle hält Juwelierin Alexandra Jurtschitsch aus Krems in NÖ bis 14 Uhr offen, „weil es viele Kunden gibt, die froh sind, wenn sie noch im letzten Moment ein Geschenk bekommen. Wenn Weihnachten auf den Samstag fiel, habe ich oft im letzten Moment schöne Verkäufe gemacht“. Andere Geschäftsleute sind skeptisch: „Eigentlich ist es ein Sonntag und das Geschäft sollte zu sein. Nur wenn viele andere aufsperren, würde ich mitmachen“, meint Evelyn Pöchhacker, Inhaberin eines Modegeschäfts. Die meisten anderen befragten Kaufleute denken nicht daran, an diesem Sonntag zu öffnen.
Obwohl Sascha Golitschek, Chef von Trachtengeschäften in Heidenreichstein, Parndorf und Wien, an mehreren Sonntagen im Jahr offen hält, sperrt er am 24. Dezember zu: „Bei uns war dieser Tag nie umsatzstark. Zudem dürfen wir nur bis nach Mittag offen halten. Die Kosten wären weit höher.“Er plädiert deswegen dafür, dass der 24. Dezember zum „Familientag“erkoren wird, an dem ganztags zu bleibt. „Andere Tage sind viel wichtiger, an denen wir sonntags aufsperren wollen“, sagt Golitschek.
Auch „Sonntagsrebell“Ernst Fischer, Inhaber mehrer Boutiquen, will seine beiden Geschäfte in Velden am Wörthersee am 24. Dezember nicht aufsperren, obwohl er dürfte. Er und andere Kaufleute öffneten im Advent 2006 ih- re Läden in der Wiener City, um gegen das Sonntagsöffnungsverbot zu protestieren. Die Veldener Geschäftsleute hätten sich darauf geeinigt, bereits am letzten Novemberwochenende mit verlängerten Öffnungszeiten zu starten, aber dafür zu Weihnachten zu schließen, sagt Fischer. „Das finde ich vernünftig. Der 24. ist eh schon so ein Hardcore-Tag“, sagt Fischer.
Freier Sonntag
„Der Heilige Abend sollte der Besinnlichkeit vorbehalten bleiben“, nennt Maria Langmaier von der „Allianz für einen freien Sonntag“einen wesentlichen Grund. Der Allianz gehören alle Gewerkschaften und christlichen Glaubensgemeinschaften an. Karl Dürtscher, stv. Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft GPA-djp, sieht vor Weihnachten genügend Möglichkeiten, um Geschenke und Lebensmittel zu besorgen, und „keinen erkennbaren Notstand“, um am Sonntag offen zu halten.
Shoppen bis kurz bevor das Christkind kommt – das kann sich Markus Griessler, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wiener Wirtschaftskammer (WKW) vorstellen. Ladenöffnung soll aber kein Muss sein. Viel wichtiger wären ihm Tourismuszonen für Wien, die die WKW seit Jahren fordert. „Es ist unfair, dass wir keine Zonen haben“, sagt er. Den Vorschlag, dass der 24. Dezember ganztägig zu bleiben soll, will die Wirtschaftkammer weder aufgreifen noch abschmettern. Viele Kunden seien ohnehin am letzten langen Einkaufswochenende unterwegs.