Wenig Begeisterung über Interregnum in Berlin
Europäische Union. Die Schubkraft des deutschen Motors steht noch einige Zeit auf null; Macron ist dadurch im Vorteil
Entscheidungen von großer Tragweite, die die Europäische Union in den nächsten Wochen zu treffen hätte, stehen vorerst nicht an. Trotzdem ist man in Brüssel wenig darüber begeistert, dass das mächtigste Land Europas weiter ohne stabile Regierung da steht. Echte Impulse aus Deutschland bleiben aus, so manch drängendes Thema wird hinausgeschoben. Die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel wird in der EU zwar unverändert mitreden, ihr perfekt arbeitender Verwaltungs- und Diplomatenapparat wie gewohnt mitarbeiten, aber die Schubkraft des deutschen EU-Motors steht bis zur Bildung einer Regierung auf null.
Beim Afrika-Gipfel der EU in der kommenden Woche wird Merkel wohl dabei sein, doch auf den Weg gebracht wird dort ohnehin nur, was schon längst beschlossene Sache ist.
Interessant auch die Wahl des Eurogruppenchefs am 4. Dezember: Deutschland hätte beantragen können, die Kür des Jeroem-Dijsselbloem-Nachfolgers zu verschieben. Doch Berlin tat es nicht. Und so kann angenommen werden, dass ein neuer Eurogruppenchef gewählt wird, mit dem Berlin leben wird müssen. Ganz gegen den Strich wird dieser Neue aber Berlin nicht gehen, so viel Durchsetzungskraft in den europäischen Gremien hat die deutsche Führung auch ohne neu aufgestellte Regierung.
Und da wäre noch der EUGipfel im Dezember, bei dem die Reform der Eurozone zur Debatte steht. Bringt Berlin nicht sein ganzes Gewicht aufs Tapet, wird der Vorteil beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron liegen. Und was das BrexitVerfahren betrifft: Deutschland hat sich in die Verhandlungslinie der anderen 26 EU-Staaten eingereiht, die künftig ohne London leben werden. Entscheidungen fallen in dieser Frage gemeinsam, egal, ob mit oder ohne Jamaika-Koalition in Berlin.