FDP hat den „Schwarzen Peter“
Der Partei steckt noch der Absturz 2013 in den Knochen
Fünf Minuten vor Mitternacht verkündete FDP-Chef Christian Lindner am Sonntag in Berlin das Aus der Sondierungsgespräche. Der 38-Jährige sprach von „wenigen gemeinsamen Vorstellungen“und „fehlendem Vertrauen“zwischen den vier Parteien. Mit den bis dahin ausgehandelten Maßnahmen würden die Liberalen ihre Grundsätze aufgeben und ihren Wählern die versprochenen „Trendwenden“schuldig bleiben. „Lieber nicht regieren, als falsch regieren.“
Nur wenige Minuten später fand sich bereits auf dem Twitter-Account der Liberalen eine Grafik, magenta auf gelb, mit dem neuen Slogan: „Lieber nicht regieren als falsch.“Nicht nur das machte die anderen Gesprächspartner stutzig, sie unterstellten der FDP ein klares Kalkül. Oder, wie es Julia Klöckner, CDU-Vizechefin, formulierte: Dass die FDP „kurz vor der Einigung“abgesprungen sei, habe mehr als nur eine Person verwundert.
Doch Lindner hatte bereits vor Beginn der Gespräche im KURIER-Interview betont: „Es muss Trendwenden geben, wenn die FDP der Regierung angehören soll.“Und von „kurz vor der Einigung“könne wirklich keine Rede sein, sagte Wolfgang Kubicki am Montag. Der Ball liege nun bei Union und SPD.
In der bald 70-jährigen Geschichte der FDP war sie stets zur Stelle, wenn sich eine Chance bot, Teil der Bundesregierung zu sein: „Verlässlich f lexibel“, wie es der Spiegel kommentierte, agierten die Freien Demokraten für SPD wie Union als Mehrheitsbeschaffer. 2013 endete das für die FDP traumatisch: Nach vier Jahren schwarzgelber Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel flog die FDP aus dem Bundestag.
Diese Erfahrung sitzt den Liberalen noch in den Knochen. Insofern klingt Lindner glaubhaft, wenn er von Prinzipien spricht, die er nicht über Bord werfen kann. „Ich habe die FDP nicht zurück ins Parlament geführt, um in einer Regierung ohne eigene Akzente zu arbeiten.“Er wer- fe es seinen drei Gesprächspartnern nicht vor, auch an ihren Prinzipien festzuhalten. Wenn vier Partner nicht in der Lage seien, schon beim Absehbaren einen gemeinsamen Plan zu entwickeln, „ist das keine Voraussetzung dafür, dass auch auf das Unvorhergesehene angemessen reagiert werden kann“, gab er zu bedenken.
In der Union wurde gemutmaßt, er hoffe, bei Neuwahlen damit punkten zu können. Doch das bezweifelt Meinungsforscher Manfred Güllner. Die Liberalen seien immer nur stark gewesen, wenn Wähler das Gefühl hätten, sie könnten als Korrektiv in einer Regierung wirken.