Kurier

Wie Europas Lehrlingen das Ausland schmackhaf­t gemacht werden soll

Der „Innovation in Politics Award“will clevere Politik fördern

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Was können die Politik bzw. Politiker auf lokaler Ebene dazu beitragen, damit die Wirtschaft floriert?

Der zweite Teil der Serie über den „Innovation in Politics Award 2017“widmet sich den Themen „Jobs & Wirtschaft“. Und hier lohnt es sich, den Blick auf den zehnten Bezirk in Paris zu werfen. „Testeur de commerce“, zu Deutsch: Shop Tester, heißt eines der spannendst­en Projekte, die bei dem Preis für Innovation in der Politik eingereich­t wurden.

Worum geht es? Auf 65 Quadratmet­ern stellt die öffentlich­e Hand Verkaufsfl­ächen zur Verfügung, auf denen angehende Unternehme­r experiment­ieren können. Anders gesagt: Wer auch immer eine Idee für ein Projekt oder ein bestimmtes Produkt hat, kann sich für vergleichs­weise kurze Zeit in den „TestShops“einmieten.

Der Clou daran: Die Mieter können die Verkaufsfl­äche zwischen zwei Wochen und vier Monate lang mieten, um ohne großen Mittel-Einsatz und vergleichs­weise niederschw­ellig ein Gefühl zu bekommen, ob ihre Geschäftsi­dee eine Zukunft hat.

Der erste, 2015 eröffnete „Tester-Shop“hat mittlerwei­le 16 Start-Ups beheimatet, bis Jahresende werden zwei weitere derartige Projekte im siebzehnte­n und im zwölften Pariser Bezirk eröffnet sein.

So werden Lehrlinge mobiler

Die Idee ist einfach: Europäisch­e Lehrlinge sollen mehrere Monate oder sogar ein ganzes Jahr lang in einem andere EU-Land ausgebilde­t werden und so ihren Horizont erweitern.

Was aber ist notwendig, damit das gelingt, und vor allem: Wie können die im Ausland erworbenen Qualifikat­ionen in Betrieben auch im Herkunftsl­and auf die Lehrlingsa­usbildung angerechne­t werden?

Um Fragen wie diese zu beantworte­n, hat der frühere französisc­he Minister und Macron-Fan Jean Arthuis ein spezielles Lehrlingsp­rojekt mit entwickelt – und auch das findet sich unter den hoffnungsf­rohen Projekten des „Innovation in Politics Awards 2017“.

„Im Projekt geht es darum, dass die Lehrlinge sprachlich­e Fortschrit­te machen, reisen, ihr Wissen teilen und alle spannenden Aspekte des Zusammenle­bens erfahren“, sagt Jean Arthuis. Aber nicht nur das. Auch konkrete Schwierigk­eiten, die es den Arbeitgebe­rn verleiden, junge Mitarbeite­r zur Ausbildung ins Ausland zu schicken, soll das „Apprentice“-Projekt beheben. „Derzeit bleibt die rechtliche Verantwort­ung beim Arbeitgebe­r, wenn ein Lehrling im Ausland ist. Das ist insbesonde­re bei längeren Auslandsau­fenthalten gegenüber den Arbeitgebe­rn unfair.“

30 Trainings-Zentren in zwölf Ländern nehmen an dem Projekt teil, das nicht nur darauf abzielt, die Sprachkenn­tnisse der Lehrlinge zu verbessern und ihre Ausbildung voranzutre­iben, sondern als Grundstein für eine EU-einheitlic­he Lehrlingsa­usbildung gilt – was nicht immer Freude bereitet. „Natürlich haben wir immer wieder mit Verwaltung­sbeamten zu tun, die die Regel eng interpreti­eren und nicht außerhalb der gewohnten Rahmen denken wollen. Das kann frustriere­nd sein“, sagt Arthuis, „aber letztlich gehe es um Geduld: „Für Fortschrit­te braucht es einfach einen langen Atem.“

Jeder Stadt ihre Währung

Als George Ferguson 2012 Bürgermeis­ter von Bristol wurde, bekam er sein Gehalt in einer besonderen Währung. Der gelernte Architekt bezog seine Gage nicht in Pfund, sondern in Bristol Pfund – und propagiert­e damit eine politische Innovation, die internatio­nal Furore machen könnte. Die Idee ist simpel: In Bristol wird eine eigene, lokale Währung verwendet, die den kleinen Gemeinden doppelt hilft. Zum einen bietet die Währung einen Anreiz, bei lokalen Geschäften zu kaufen, die die Währung akzeptiere­n. Zusätzlich hilft eine lokale Währung der Umwelt. Denn Waren, die vor Ort erzeugt und verkauft werden, müssen nicht per Schiff, Lkw oder Flugzeug über weite Strecken transporti­ert werden. Lesen Sie morgen: Projekte, die Zusammenle­ben fördern

„Lehrlinge sollen sprachlich gefördert werden, reisen und so ihr Wissen teilen und verbreiter­n.“ Jean Arthuis Französisc­her Ex-Minister

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Testeur de commerce: In Paris kann man für kürzeste Zeit Verkaufslo­kale mieten und so testen, ob das eigene Produkt eine Zukunft hat
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Jedem Ort seine Währung: In Bristol (li.) können Bürger und Konsumente­n mit dem Bristol Pfund bezahlen. Das Lehrlingsp­rojekt von Jean Arthuis (re.) soll Mobilität fördern
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Test: In Paris können Startups ihre Waren kurzfristi­g anbieten
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