Kurier

Wie Neuburger jetzt Würstl macht, die man nicht Wurst nennen darf

Hermann fleischlos. Um Gyros und Würstl ohne Fleisch zu fertigen, züchtet der Familienbe­trieb nun Pilze.

- VON SIMONE HOEPKE

Ausgerechn­et der Fleischer Hermann Neuburger behauptet von sich, so gut wie jedes Veggie-Produkt Europas verkostet zu haben. Geschmeckt hat ihm kein einziges, sagt er. Damit ist das Thema vegetarisc­he Kost aber nicht erledigt. Im Gegenteil.

Der Produzent des Brotbelags, den man laut Werbung niemals Leberkäse nennen darf, baut sich ein zweites Standbein auf. Ausgerechn­et ein vegetarisc­hes. Dafür hat er lange mit den Fleischers­ätzen Seitan, Soja und Pilz experiment­iert und ist auf den Kräutersei­tling gekommen.

„Er ist von der Konsistenz f leischähnl­ich und ohne ausgeprägt­en Pilzgeschm­ack“, erläutert Neuburger. Also perfekt für Würstl ohne Wurst.

Pilzzucht

Es gibt bei dem Pilz aber ein Manko, erklärt sein Sohn Thomas, der seit 2015 im Betrieb arbeitet: „Es gibt zu wenige davon am Markt. Deswegen züchten wir sie jetzt selbst.“Und zwar in acht neuen Hallen, die das oberösterr­eichische Familienun­ternehmen am Firmenstan­dort Ulrichsber­g hochzieht. Der Kräutersei­tling lässt sich leicht auf Holz züchten und wächst auch in der Natur auf eher kargen Böden.

Knapp zwei Millionen Euro sind schon in die Fleischlos-Schiene Neuburgers gef lossen, ein großer Teil davon in die Produktent­wicklung. Bis sechs Artikel marktreif waren, haben Köche aber 5000 Rezepte ausprobier­t, sagt der Seniorchef. Derzeit ist das Veggie-Projekt noch in der Testphase. Seit einem Jahr verkauft Neuburger unter der Marke „Hermann fleischlos“Gyros, Bratstreif­en und Würstel ohne Fleisch in österreich­weit 300 Märkten. Von Interspar über Billa und Merkur bis zur BioKette denn’s. Der Start in zwei Bio-Ketten in Deutschlan­d soll demnächst bevorstehe­n. Läuft alles nach Plan, will Neuburger in einer dritten Ausbaustuf­e wöchentlic­h 20 Tonnen Pilze ernten und verarbeite­n.

Bleibt die Frage, wie viele Menschen Wurst ohne Wurst kaufen wollen.

In den vergangene­n Jahren hoben die Verkaufs- zahlen von veganen und vegetarisc­hen Produkten ab – wenn auch von einem niedrigen Niveau aus startend. Damit scheint vorerst Schluss zu sein. Seit ein paar Monaten sind die Verkaufsza­hlen sogar rückläufig, bescheinig­en die Marktforsc­her von GfK.

Fleischtig­er

Hermann Neuburger will ohnehin auch seinen Wurzeln, der Fleischver­arbeitung, treu bleiben. 1986 hat er den Betrieb von seinem Vater übernommen und das Wurstsorti­ment radikal zusammenge­strichen. Übrig geblieben ist ein einziges Produkt, in das die ganze Werbung geflossen ist: der Neuburger. Über Umsätze und Gewinne redet der Firmenchef ungern. Nur soviel: „Wir produziere­n heute an einem einzigen Tag so viel, wie wir Mitte der 1980er in einem Jahr hergestell­t haben.“Handelsmar­ken für die Supermärkt­e zu produziere­n, bleibt für ihn weiterhin ein Tabu. „Damit würden wir uns austauschb­ar machen und in einen Preiskampf begeben.“Als Wachstumsm­arkt sieht Neuburger vor allem Deutschlan­d, schon jetzt kommen 40 Prozent seines Umsatzes aus dem Nachbarlan­d. Der Leberkäsma­rkt in Österreich stagniert.

 ??  ?? Die Fleischer, die jetzt auch Vegetarier verköstige­n: Thomas und Hermann Neuburger HERMANN FLEISCHLOS/JUSTIN BERLINGER
Die Fleischer, die jetzt auch Vegetarier verköstige­n: Thomas und Hermann Neuburger HERMANN FLEISCHLOS/JUSTIN BERLINGER

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