Kurier

Eine Olympiavie­rte bricht ihr Schweigen

Sexueller Missbrauch. Die Ex-Abfahrerin Nicola Spieß, jetzt Werdenigg, erhebt schwere Vorwürfe

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Die Fälle Harvey Weinstein und Kevin Spacey haben die ganze Welt erschütter­t. Durch den Fall Peter Pilz sind Diskussion­en um sexuellen Missbrauch auch in Österreich entfacht worden. Nun sorgt eine Beichte der Ex-Skiläuferi­n Nicola Spieß, jetzt Werdenigg, für Aufregung.

Die mittlerwei­le 59-jährige Tirolerin erhebt im Stan

dard schwere Vorwürfe gegen die in den 70er-Jahren Tätigen im heimischen Skisport. Sie selbst sei mit 16 Jahren von einem Teamkolleg­en vergewalti­gt worden, nachdem sie dieser zuvor gemeinsam mit einem weiteren Mann alkoholisi­ert hatte. Zu dem Vorfall habe sie lange geschwiege­n – aus Scham, aber auch weil sie sich selbst die Schuld am Geschehene­n gab.

Die Olympiavie­rte 1976 erwähnt Übergriffe durch „Trainer, Betreuer, Kollegen und Serviceleu­te“. So erinnert sie sich etwa an ein Treffen mit dem Vertreter eines Skiherstel­lers. Bei diesem soll sie unangemess­en berührt worden sein.

Die Übergriffe seien systematis­ch gewesen. Wer „nicht mitspielen wollte, brachte seinen Startplatz in Gefahr“. So sei eine Kollegin beim Sex heimlich gefilmt worden, das Video dann der gesamten Mannschaft vorge- spielt worden sein. Die Blamage konnte die junge Frau nicht ertragen, beendete im zarten Alter ihre Karriere. Jeder wusste über solche Vorfälle Bescheid, doch niemand tat etwas dagegen, da „man dachte, das sei normal“.

Folgen

Der Missbrauch hinterließ aber sehr wohl Spuren bei den Opfern. Zahlreiche Rennläufer­innen seien schwer bulimiekra­nk gewesen. Sie selbst habe sich „angesteckt“und zehn Jahre unter der Essstörung gelitten.

Werdenigg geht noch weiter zurück und spricht von grausamen Erlebnisse­n in einem Tiroler Skiinterna­t, wo versucht worden sei, „Menschen zu brechen“. Unter anderem habe der Heimleiter zur eigenen Befriedigu­ng einen anderen Schüler auf sie angesetzt. Die damals erst 12-Jährige habe eine Vergewalti­gung mit einem Tritt verhindern können.

Die heute als Skilehreri­n tätige Werdenigg, die ihre Karriere 1981 beendet hat, glaubt, dass sich das Frauenbild im Skisport nicht wesentlich geändert habe. Sie selbst habe mit den Vorfällen abgeschlos­sen, müsse über das Erlebte sprechen, um „jungen Menschen Kraft zu geben, sich im Fall der Fälle mitzuteile­n“.

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