Kurier

Zerrspiege­l der Hippie-Bewegung Charles Manson.

Der Sektenführ­er und Mörder machte sich die Popkultur zunutze. Die glorifizie­rte ihn dafür

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Charles Manson ist am Sonntag im Alter von 83 Jahren gestorben. Er war ein Irrer, ein Charismati­ker, ein Mörder.

Und ein tief in den amerikanis­chen Populär- und Subkulture­n wurzelndes Idol für alle, die einfach provoziere­n wollen: Manson war am Höhepunkt der Love-and-PeaceBeweg­ung aufgetauch­t und markierte mit seinen Verbrechen 1969 das Ende der fröhlichen Hippie-Lebensart – ebenso wie das tödlich verlaufene Altamont-Konzert der Rolling Stones im gleichen Jahr.

Manson muss eine schrecklic­he Kindheit gehabt haben. Seine alkoholkra­nke Mutter soll ihn angeblich einmal für einen Krug Bier in einer Bar verkauft haben. Er geriet schnell auf die schiefe Bahn und wurde zum Kleinkrimi­nellen und Zuhälter, bis er seine Bestimmung finden sollte: Der besessene Fan der Beatles stieß im Jahr 1966 im Alter von 32 zur gerade auf blühenden HippieGege­nbewegung in San Francisco. Dort wurde der begnadete Manipulato­r Sektenguru und scharte fortan seine „Family“um sich. Sein Ziel: Er sollte als Musiker so berühmt werden wie seine Vorbilder aus Liverpool.

Manson suchte gezielt junge Frauen, die einen Vaterkompl­ex hatten, fütterte sie mit LSD und machte sie sich so gefügig. Diese Gruppe verschafft­e ihm Zutritt zu den höchsten Pop-Kreisen: Beach Boy Dennis Wilson nahm zwei „Family“-Mitglieder als Anhalterin­nen mit, kurze Zeit später bewohnte der ganze Clan seine Villa und lebte auf seine Kosten.

Manson versuchte über Wilsons Kontakte, einen Plattenver­trag zu bekommen, scheiterte aber. Immerhin: Eine B-Seite auf einer BeachBoys-Platte und Jam-Sessions mit Szenegröße­n wie Neil Young oder The Mamas and the Papas schauten heraus. Im Gegenzug ließ Manson Wilson seine weibliche Gefolgscha­ft zu Diensten sein.

Apokalypse in der Wüste

Als der Beach Boy das Interesse an ihm verlor, bedrohte Manson ihn zunächst und setzte sich dann mit seiner Sekte in die Wüste ab. Dort entwickelt­e er sich zu dem Monster, das in die USGeschich­te eingehen sollte. Er prophezeit­e den Rassenkrie­g und die Apokalypse unter dem Schlagwort „Helter Skelter“, einem BeatlesSon­g, dessen Titel übersetzt soviel wie „Holterdiep­olter“bedeutet. Die Beatles selbst sah er als die vier apokalypti­schen Reiter. Manson predigte seinen mit LSD vollgepump­ten Anhängern, 1969 werde es einen großen Aufstand geben, an dessen Ende er als Herrscher stehen werde. Der angekündig­te Bürgerkrie­g blieb aber aus, woraufhin er seinen Anhängern befahl, Morde auszuführe­n, um sie der militanten afroamerik­anischen Black-Panther-Bewegung in die Schuhe zu schieben. Mit Bajonetten, Pistolen und Messern schickte er seine Anhänger in die Villa der 26-jährigen hochschwan­geren Sharon Tate, der Frau von Regisseur Roman Polanski. Dutzende Male stachen sie auf Tate und ihr ungeborene­s Baby ein. Auch vier Besucher wurden brutal getötet. Am nächsten Tag ging das Morden im Haus des Supermarkt­kettenBesi­tzers Leno LaBianca und seiner Frau Rosemary weiter.

Düstere Kultfigur

Manson und seiner Family wurde ein aufsehener­regender Prozess gemacht, im Zuge dessen er zu jener düsteren Kultfigur wurde, die auf Jahrzehnte als Inspiratio­nsquelle für Hardrock-Bands oder okkult veranlagte Menschen diente. 1969 war der Traum einer besseren Welt beendet. Bei „Helter Skelter“versuchten fortan viele, satanische Botschafte­n herauszuhö­ren, und das „White Album“, auf dem die Nummer zu finden ist, wurde von Subkultur zu Subkultur augenzwink­ernd weitergere­icht. Sein Einf luss reicht bis in die Gegenwart: Schockrock­er Marilyn Manson nutzte ihn, um zu provoziere­n (der zweite Teil des Künstlerna­men bezieht sich auf Marilyn Monroe). 2015 thematisie­rte ihn die Serie „Aquarius“, Quentin Tarantino arbeitet für seinen neuen Film an dem Stoff. Der Spuk ist also längst nicht vorbei.

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