Kurier

Flüchtling­skrise als Gesellscha­ftssatire

„Willkommen bei den Hartmanns“im Akademieth­eater: Viel Jubel für Film-Dramatisie­rung

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Dramatisie­rungen von Romanen oder Filmen im Theater sind oft problemati­sch. Und zwar deshalb, weil das Theater streng genommen keine Chance hat. Filme liefern verdichtet­e Nachbildun­gen von Leben, unschlagba­r suggestivk­räftig. Romane wieder vertrauen auf das Hirn des Lesers als Regisseur, das Bilder entwirft, welche immer stärker sind als die außerhalb des Kopfes.

Das einzige, was Theater tun kann: Auf seine Stärken setzen. Es ist eine Wundermasc­hine, die aus Luft, Text und dem Talent von Schauspiel­ern Welten erzeugt.

Und genau das tut Peter Wittenberg­s Inszenieru­ng von „Willkommen bei den Hartmanns“im Akademieth­eater. Und deshalb ist dieser Abend zunächst einfach ein wunderbare­s Stück Theater, bei dem alles zum Einsatz kommt, was die Bühne zu bieten hat: Furiose Schauspiel­er, Filmzuspie­lungen, Spiel aus dem Publikum, ein riesiges auf blasbares Sofa, ein brennendes Häuschen, Tanz, Musik, Turnübunge­n.

„Willkommen bei den Hartmanns“ist im Original eine deutsche Filmkomödi­e von Simon Verhoeven: Eine spießige, dysfunktio­nale Familie nimmt einen Flüchtling auf, der, nur durch seine Anwesenhei­t, das Leben aller Familienmi­tglieder zum Besseren wendet – und im letzten Moment vor der Abschiebun­g gerettet wird.

Satire und Kabarett

Angelika Hager – Autorin der „Polly-Adler“-Kolumnen freizeit in der KURIER- – machte aus dem Text ein Theaterstü­ck. Hagers Version ist schärfer und schroffer, stellenwei­se ist sie ziemlich brutale Gesellscha­fts-Satire. Gezeigt wird, wie verlogen der Umgang mit dem Thema Flüchtling­en bei allen Beteiligte­n ist.

Hager, erfolgreic­he Autorin von Kabarett-Programmen, hat den Text auch mit Kabarettis­tischem angereiche­rt, es gibt, natürlich, eine Sebastian-Kurz-Parodie, es gibt viele bissige Anspielung­en auf aktuelle Politik, und geschont wird niemand, weder Rechte, noch selbst ernannte Gutmensche­n.

Hier liegt die einzige Schwäche des Abends: Weil es im ersten Teil soviel Aktuelles zu beblödeln gilt, kommt die eigentlich­e Handlung nur langsam in Gang, nach der Pause geht dann die Zeit aus und die Geschichte beginnt zu hudeln.

Großartig sind wie immer am Burg-/Akademieth­eater die Schauspiel­er: Markus He- ring als von Alters-Angst gepeinigte­r Arzt, Alexandra Henkel als seine trinkende, gelangweil­te Frau, Alina Fritsch als Tochter auf Selbstsuch­e, Simon Jensen als karrierege­iler Sohn, Valentin Postlmayr als wohlstands­verwahrlos­ter Enkel, Sven Dolinski als türkischer Jungarzt, Dietmar König als schnöselig­er Schönheits­chirurg, Sabine Haupt als hysterisch­e Ausdruckst­änzerin, Petra Morzé in mehreren köstlichen Rollen, Michael Masula als stalkender Nazi und Dirk Nocker als Flüchtling­shelfer.

Allen voran aber ist David Wurawa als Flüchtling Diallo zu nennen: Sein Spiel ist großartig, zurückgeno­mmen, sehr subtil, ebenso komisch wie berührend.

Fazit: Ein witziger, böser, sehr entlarvend­er, stellenwei­se ein wenig derber Abend. Der größere Teil des Publikums war begeistert.

 ??  ?? Willkommen auf dem großen, roten Sofa: David Wurawa als Flüchtling Diallo, Markus Hering und Alexandra Henkel als Ehepaar in der Sinnkrise, Oida (das Wort kommt oft vor)
Willkommen auf dem großen, roten Sofa: David Wurawa als Flüchtling Diallo, Markus Hering und Alexandra Henkel als Ehepaar in der Sinnkrise, Oida (das Wort kommt oft vor)

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