KURIER trauert um Willi Theuretsbacher
Der langjährige Chefreporter starb nach schwerer Krankheit im Alter von 60 Jahren.
KURIER-Reporterlegende Willi Theuretsbacher ist in der Nacht auf Dienstag im 61. Lebensjahr verstorben. Er arbeitete mehr als 34 Jahre für den KURIER, viele Jahre davon war er als Chefreporter im Einsatz, und das eigentlich immer. Innere und äußere Sicherheit, Verteidigung und Europa waren seine Spezialbereiche.
In seinen Anfangsjahren beim KURIER in Hollabrunn galt der Niederösterreicher als großer Schrecken der Lokalpolitiker im Weinviertel, weil er ihnen genau auf die Finger schaute. Manch Politiker musste daher auch seinen Hut nehmen. Was wenige wissen: Er hatte eine besondere Gabe fürs Zeichnen und brachte „Bonmotscherln“aus dem Wirtshaus zu Papier, die ein Mal die Woche unter dem Namen „Poidl“als Karikaturserie im Niederösterreich-KURIER erschienen.
Haudegen
Willi war ein Reporter der alten Schule. Immer unterwegs, egal, zu welcher Uhrzeit; egal, wie schwierig die Aufgabe war. Oft war der Dienstreiseantrag noch gar nicht geschrieben, saß er schon im Auto oder Flugzeug. Überall dort, wo es ungemütlich und gefährlich war, war Willi dabei. Er wusste sich stets selbst zu helfen, seine Kontakte zum Militär halfen dem Milizsoldaten bei seinen heiklen Missionen rund um den Erdball. Kriege und Katastrophen: Willi war dabei. Oft wohl zum Leidwesen seiner Familie.
In Mali, im Tschad, in Pakistan, im Nahen Osten, im Kosovo, im Bosnien-Krieg, um nur einige Einsatzorte zu nennen. Manchmal wurde es verdammt knapp. Zum Beispiel in Sarajewo. Mit Schmäh und Geistesgegenwart schaffte er es, dass zunächst bedrohliche und feindlich gesinnte Fremdenlegionäre ihm sicheres Geleit aus der Gefahrenzone gaben. In Mali erklärte er sich kurzerhand zum Diplomaten, als es wirklich brenzlig wurde. Ein Fax mit dem KURIER-Logo diente ihm als Legitimation – und der Trick ging auf.
Von vorderster Front
Auch am Golan, als die österreichischen Blauhelm-Soldaten sich vor ihrem Abzug 2013 eingebunkert hatten, berichtete Willi von vorderster Front. Das war nur möglich, weil Israels Armee annahm, Willi sei ein Agent des Heeresnachrichtenamtes. Er ließ sie in dem Glauben und erzählte später mit leuchtenden Augen von seinem Husarenstück.
Ein Chefredakteur schickte ihn einmal mit äußerst knapp bemessenem Budget in den Tschad und versicherte ihm, dort könne er eh mit Kreditkarte zahlen. Willi wusste es besser, fuhr aber trotzdem. Als ihm bald das Geld aufgrund von Wege- zöllen ausging, kam sein Hilferuf, umgehend viel Geld zu schicken. Die Ressortchefin hob an jenem Samstag von ihrem Privatkonto die Höchstsumme ab und überwies es per Western Union. Das geheime Codewort funktionierte ohne Absprache: Es war der Vorname seiner Tochter, auf die er sehr stolz war.
Willi Theuretsbacher war es, der sich für den KURIER nach dem Tsunami zu Weihnachten 2004 dem unfassbaren menschlichen Leid in Thailand stellte und von dort berichtete. Gezeichnet von den Wochen, die er dort verbrachte, kam er zurück in die Redaktion, wo es ihn aber nicht lange hielt.
Als 2011 die Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima bekannt wurde, saß Willi im nächsten Flugzeug nach Japan. Ohne jede Planung schlug er sich bis ins Katastrophengebiet durch. Wenig später berichtete er aus Norwegen über die Terrorattacken von Anders Breivik.
Am liebsten war Willi „draußen“, wo sich die Geschichten abspielen. Schreibtischtäter war er nie. Er kannte Gott und die Welt. Seine Kontakte und sein Fachwissen öffneten ihm viele Wege zu Geschichten, die anderen verschlossen blieben.
Mit Leib und Seele
Willi war mit Leib und Seele Journalist und auch Milizsoldat. Immer wieder war der Offizier in seiner Uniform in der Redaktion anzutreffen. Sein Rang, der ihn stolz machte: Brigadier.
Der ganzen Redaktion unvergesslich ist sein 50. Geburtstag, als die Militärmusik vom Innenhof des KURIER aus den 7. Bezirk beschallte. Und Willi in Galauniform umringt von Gratulanten war. Er war Großmeister im Hackeln, aber auch im Feiern. Immer unter den Letzten und trotzdem einer der Ersten wieder im Büro.
„Eine Doppelseite ohne Bilder und ohne Pagina (= bis zum äußersten Seitenrand vollge
schrieben).“Das war die Standard-Bestellung, wenn Willi um Platz für ein Thema kämpfte. Scherzhaft selbstredend. Aber wie bei jedem guten Scherz mit einem ernsthaften Subtext. Wenn Willi eine Geschichte plante und schrieb, war immer Herzblut dabei. Kalte, unbeteiligte Routine war nie sein Ding. Doch selbst mitten im politischen Schlachtenlärm um die Zukunft seines geliebten Bundesheeres zählten bei der Arbeit allein journalistische Standards: Objektive Fakten und subjektive Meinungen klar getrennt.
Seit er nicht mehr so konnte, wie er wollte, rief er uns regelmäßig an. Erst am Samstag wollte er noch einen Kommentar schreiben. Er war bis zuletzt ein Kämpfer – und voller Zuversicht, dass er bald wieder seine Bestellung aufgeben kann: „Eine Doppelseite ...“.
Ciao, Willi, in unseren Herzen bleibt viel mehr, als auf einer Doppelseite Platz findet.