Einsamkeit und Sprache als Barrieren – und wie man sie überwinden kann
Drei Projekte, die die Solidarität im Kleinen fördern
Einsamkeit: Eine Studie des britischen Roten Kreuzes hat gezeigt, dass allein im Vereinigten Königreich mehr als neun Millionen Erwachsene sehr oft oder sogar immer einsam sind.
Als Reaktion auf diesen unhaltbaren Zustand hat die britische Parlamentarierin Jo Cox die „Loneliness Commission“gegründet. Gemeinsam mit Vize-Obfrau Seema Kennedy und 13 Organisationen – darunter die Alzheimer Gesellschaft und das britische Rote Kreuz – bemühte sich Cox darum, Vereinsamungstendenzen innerhalb der britischen Gesellschaft zu bekämpfen.
2016 wurde Cox ermordet, doch ihre Stellvertreterin Seema Kennedy setzt die Arbeit fort und bat Rachel Reeves, ebenfalls Parlamentsabgeordnete, die Kommission als Vize-Vorsitzende zu unterstützen. Beim „Innovation in Politics Award 2017“, einem in Wien verliehenen Preis des „Innovation in Politics Instituts“, soll die von Cox initiierte Kommission ins Rampenlicht gestellt werden. Denn sie kümmert sich um den Kern dessen, was Ge- sellschaft und Politik ausmachen: Um das Gespräch. Auf allen Ebenen – in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, etc. – versucht die Kommission politische Ziele und Anregungen zu definieren, um der Vereinsa- mung in der Gesellschaft Einhalt zu gebieten.
Videoübersetzer
Ein zweites, spannendes Projekt, das sich dem Thema des Zusammenlebens widmet, trägt den Titel „Wi- deotlumacz“, zu deutsch: Video-Übersetzer.
Die polnischen Entwickler haben sich einer Herausforderung gewidmet, die 2012 in Polen virulent wurde. Denn mit dem neuen Gesetz über Gebärden- sprache wurde tauben Mitbürgern zwar in Aussicht gestellt, unterstützt zu werden. Das Problem war aber, dass insbesondere kleine Gemeinden ad hoc keinen Gebärden-Dolmetsch auftreiben konnten, um mit den Menschen zu kommunizieren.
Dank eines via Video zuschaltbaren Übersetzers ist das möglich. Das Projekt begann mit einem Büro und 20 Standorten, an denen der Übersetzer verfügbar war. Mittlerweile gibt es in Polen mehr als 200 Standorte, und dank des Systems können sich taube Mitmenschen zu Hause oder via Website mit Übersetzern verbinden lassen.
Günstiges Wohnen für junge Menschen
Studenten, Lehrlinge, junge Menschen mit niedrigem Einkommen: Das in Frankreich erdachte Projekt „KAPS“will diesen Bevölkerungsgruppen in geförderten Wohngemeinschaften günstiges Wohnen ermöglichen. Allerdings mit einem besonderen Ansatz: Die Wohngemeinschaften werden in als „schwierig“geltenden Nachbarschaften eingerichtet, und jeder Bewohner ist verantwortlich für eine spezielle Aufgabe in der Community. Ein Beispiel: Man kümmert sich um Gemeinschaftsgärten. Das Projekt wird professionell begleitet – die Bedürfnisse der Nachbarschaft werden erhoben, die Wohngemeinschaften strategisch ausgerichtet – und es erreicht im Idealfall mehrere Ziele: Junge Menschen können zu niedrigen Preisen wohnen; Solidarität und Kommunikation werden verbessert; langfristig steigt die Lebensqualität einer Nachbarschaft.
KAPS gibt es mittlerweile in 30 Städten in Frankreich. Und die insgesamt 600 jungen Menschen, die in den geförderten Wohngemeinschaften leben, unterstützen mittlerweile 8000 Einwohner. Lesen Sie morgen: Bildungsprojekte, die Furore machen
„Einsam zu sein ist genauso ungesund wie jeden Tag 15 Zigaretten zu rauchen.“Rachel Reeves britische Abgeordnete