Kurier

Einsamkeit und Sprache als Barrieren – und wie man sie überwinden kann

Drei Projekte, die die Solidaritä­t im Kleinen fördern

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Einsamkeit: Eine Studie des britischen Roten Kreuzes hat gezeigt, dass allein im Vereinigte­n Königreich mehr als neun Millionen Erwachsene sehr oft oder sogar immer einsam sind.

Als Reaktion auf diesen unhaltbare­n Zustand hat die britische Parlamenta­rierin Jo Cox die „Loneliness Commission“gegründet. Gemeinsam mit Vize-Obfrau Seema Kennedy und 13 Organisati­onen – darunter die Alzheimer Gesellscha­ft und das britische Rote Kreuz – bemühte sich Cox darum, Vereinsamu­ngstendenz­en innerhalb der britischen Gesellscha­ft zu bekämpfen.

2016 wurde Cox ermordet, doch ihre Stellvertr­eterin Seema Kennedy setzt die Arbeit fort und bat Rachel Reeves, ebenfalls Parlaments­abgeordnet­e, die Kommission als Vize-Vorsitzend­e zu unterstütz­en. Beim „Innovation in Politics Award 2017“, einem in Wien verliehene­n Preis des „Innovation in Politics Instituts“, soll die von Cox initiierte Kommission ins Rampenlich­t gestellt werden. Denn sie kümmert sich um den Kern dessen, was Ge- sellschaft und Politik ausmachen: Um das Gespräch. Auf allen Ebenen – in der Nachbarsch­aft, am Arbeitspla­tz, etc. – versucht die Kommission politische Ziele und Anregungen zu definieren, um der Vereinsa- mung in der Gesellscha­ft Einhalt zu gebieten.

Videoübers­etzer

Ein zweites, spannendes Projekt, das sich dem Thema des Zusammenle­bens widmet, trägt den Titel „Wi- deotlumacz“, zu deutsch: Video-Übersetzer.

Die polnischen Entwickler haben sich einer Herausford­erung gewidmet, die 2012 in Polen virulent wurde. Denn mit dem neuen Gesetz über Gebärden- sprache wurde tauben Mitbürgern zwar in Aussicht gestellt, unterstütz­t zu werden. Das Problem war aber, dass insbesonde­re kleine Gemeinden ad hoc keinen Gebärden-Dolmetsch auftreiben konnten, um mit den Menschen zu kommunizie­ren.

Dank eines via Video zuschaltba­ren Übersetzer­s ist das möglich. Das Projekt begann mit einem Büro und 20 Standorten, an denen der Übersetzer verfügbar war. Mittlerwei­le gibt es in Polen mehr als 200 Standorte, und dank des Systems können sich taube Mitmensche­n zu Hause oder via Website mit Übersetzer­n verbinden lassen.

Günstiges Wohnen für junge Menschen

Studenten, Lehrlinge, junge Menschen mit niedrigem Einkommen: Das in Frankreich erdachte Projekt „KAPS“will diesen Bevölkerun­gsgruppen in geförderte­n Wohngemein­schaften günstiges Wohnen ermögliche­n. Allerdings mit einem besonderen Ansatz: Die Wohngemein­schaften werden in als „schwierig“geltenden Nachbarsch­aften eingericht­et, und jeder Bewohner ist verantwort­lich für eine spezielle Aufgabe in der Community. Ein Beispiel: Man kümmert sich um Gemeinscha­ftsgärten. Das Projekt wird profession­ell begleitet – die Bedürfniss­e der Nachbarsch­aft werden erhoben, die Wohngemein­schaften strategisc­h ausgericht­et – und es erreicht im Idealfall mehrere Ziele: Junge Menschen können zu niedrigen Preisen wohnen; Solidaritä­t und Kommunikat­ion werden verbessert; langfristi­g steigt die Lebensqual­ität einer Nachbarsch­aft.

KAPS gibt es mittlerwei­le in 30 Städten in Frankreich. Und die insgesamt 600 jungen Menschen, die in den geförderte­n Wohngemein­schaften leben, unterstütz­en mittlerwei­le 8000 Einwohner. Lesen Sie morgen: Bildungspr­ojekte, die Furore machen

„Einsam zu sein ist genauso ungesund wie jeden Tag 15 Zigaretten zu rauchen.“Rachel Reeves britische Abgeordnet­e

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Seema Kennedy und Rachel Reeves arbeiten in der Loneliness Commission. Die Idee: Die Politik muss den Rahmen schaffen, damit Menschen wieder ins Gespräch kommen
 ??  ?? KAPS bietet geförderte Wohngemein­schaften in schwierige­n Nachbarsch­aften. Das Ergebnis: Das Zusammenle­ben verbessert sich
KAPS bietet geförderte Wohngemein­schaften in schwierige­n Nachbarsch­aften. Das Ergebnis: Das Zusammenle­ben verbessert sich
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