Wien macht gute Miene zum bösen Spiel – aber nur offiziell
Bewerbung. Nach außen will man sich in Wien den Schock über die Nichtberücksichtigung nicht anmerken lassen. Schon fast übertrieben positiv zog Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner (SPÖ) Bilanz. „Wien hat eine starke Bewerbung abgegeben, die nicht zuletzt auch bei den Mitarbeitern der EMA gepunktet hat“, sagte Brauner. Es sei auch gelungen, „den Bekanntheitsgrad der Stadt als Wirtschaftsmetropole zu steigern.“Wien habe als Standort mit hoher Wirtschaftskompetenz in der gesamten EU überzeugen können, sagte auch Gerhard Hirczi, Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien und Brexit-Beauftragter der Stadt Wien.
Beim Feilschen versagt
Hinter den Kulissen ist man aber mehr als verärgert über den Ausgang der Bewerbung. „Wir haben unserer Hausaufgaben gemacht“, betont ein Rathausinsider. So wurden sowohl EMA als EBA mehrere Büroräumlichkeiten angeboten. „Und dann bekommt Amsterdam den Zuschlag für die EMA, das nicht einmal die Mindestkriterien erfüllt. Offensichtlich waren andere Kriterien wichtiger.“
In seltener Einigkeit zogen in Wien die Stadtverantwortlichen als auch Wirtschaftskammer Wien an einem Strang. So hat die Wirtschaftskammer zum Beispiel auch die Broschüre für die Bewerbung gestaltet. Insgesamt wurde ein (niedriger) sechsstelliger Betrag in die Bewerbung investiert.
Verärgert ist man in Wien auch, dass Finanzminister Schelling, der einer künftigen Regierung wohl kaum angehören wird, zu den Verhandlungen fuhr. „Es war nicht gerade die beste Entscheidung, dass Außenminister Kurz nicht vor Ort war“, sagt ein direkt Involvierter. Auch dass die Verhandler weder in Westeuropa noch unter den neuen Mitgliedern im Osten Allianzen geschmiedet habe, sei ein folgenschwerer Fehler gewesen: „Sie haben beim Feilschen schwer versagt.“