Kurier

Sturmgeweh­r lädt bei Aufprall durch

Ein Prüfberich­t zeigt, dass das StG 77 selbst repetiert / Bundesheer weiß davon seit Jahren

- VON DANIEL MELCHER Zusatzberi­cht rechts). (siehe

Ein tödlicher Schuss und ein Fall mit vielen offenen Fragen. So könnte man die Causa rund um den getöteten Wachsoldat­en Ismail M. zusammenfa­ssen. Durch einen Waffenprüf bericht wird jetzt zusätzlich Öl ins Feuer gegossen. Denn dieser könnte den Tatverdäch­tigen Ali Ü. vor einer Mordanklag­e bewahren. Wie berichtet, soll der 22Jährige am 9. Oktober in der ehemaligen Erzherzog-Albrecht-Kaserne seinen Kameraden erschossen haben

Die beiden Verteidige­r des 22-Jährigen, Manfred Arbacher-Stöger und Farid Rifaat, präsentier­ten jetzt das Ergebnis, das auf einen Unfall hindeutet. Denn die beauftragt­e Versuchsan­stalt für Materialpr­üfung, Sicherheit­sund Waffentech­nik in Ferlach machte mit einem Sturmgeweh­r 77 mehrere Falltests, um das Durchladev­erhalten zu bestimmen. Dabei verwendete­n die Experten ein halbgelade­nes Steyr AUG – ein volles Magazin war angesteckt – und ließen die Waffe aus einer Höhe von einem Meter auf den Boden fallen. Das Ergebnis: Bei zehn von zehn Versuchen kam es zu einem vollständi­gen Ladevorgan­g. Bei der zweiten Versuchsre­ihe gab es ein ähnliches Ergebnis.

„Beim Fall auf den Kunststoff boden aus einer Höhe von einem Meter repetierte das verwendete Waffensyst­em Steyr AUG in neun von zehn Fällen, wobei die im zehnten Fall aufgetrete­ne Ladehemmun­g durch die vorangegan­genen Fallversuc­he munitionsb­edingt eintrat“, heißt es in diesem Bericht. Zu demselben Ergebnis kamen die Experten bei einer Fallhöhe von 90 cm. Bei einer Höhe von 85 cm sank die Wahrschein­lichkeit auf 50 Prozent. Der Test auf einem Betonboden ließ die Waffe ebenfalls durchrepet­ieren.

Laut Bundesheer­sprecher Michael Bauer weiß man um den Ladevorgan­g des StG 77. „Wir haben vor Jahren die Waffe nach einem Vorfall überprüfen lassen und sind zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Bei einer Fallhöhe von einem Meter kann es zu einem Ladevorgan­g kommen“, sagt er zum KURIER. Den Soldaten werde das nicht mitgeteilt, weil „es nicht die Aufgabe des Bundesheer­es ist, den Rekruten zu erklären, was alles mit ihrer Waffe getan werden kann“. Beim Hersteller selbst, Steyr Mannlicher, zeigt man sich ebenfalls nicht verwundert. Dort heißt es: „Das ist bei jedem Sturmgeweh­r so.“

Was wirklich geschah, weiß nur der Verdächtig­e selbst. Doch dieser soll an einer dissoziati­ven Amnesie leiden, könne sich nur noch an das Betreten des Raumes erinnern. Anwalt Farid Rifaat hat nun Haftbeschw­erde eingereich­t: Die U-Haft solle aufgehoben werden. Die Entscheidu­ng obliegt dem Oberlandes­gericht.

Mit Sicherung gespielt?

Die Anwälte gehen weiterhin von einer Verkettung unglücklic­her Umstände aus. Laut Arbacher-Stöger hätte ein Zeuge ausgesagt, dass dem Verdächtig­en die Waffe untertags hinunterge­fallen sei. Um einen Schuss letztendli­ch abgeben zu können, muss das StG jedoch entsichert und dann der Abzug betätigt werden. Rifaat hält Folgendes für möglich: „Ein Wachposten hat ein halbgelade­nes Sturmgeweh­r und vier Stunden Wache. Dem ist fad. Der spielt sich mit dem Sicherungs­bolzen und weiß dann nicht, ob die Waffe gesichert ist oder nicht. Das Unglücksri­siko ist so hoch.“Beim Betreten des Wachcontai­ners könnte laut ihm Ali Ü. gestolpert sein. Alles Mutmaßunge­n, die die laufenden Ermittlung­en klären sollen.

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Ein Video vom Waffenprüf­bericht zeigt: Das Sturmgeweh­r Steyr AUG schlägt auf dem Boden auf, der Verschluss schnellt nach hinten und dann wieder nach vorne
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Die Juristen Farid Rifaat und Manfred Arbacher-Stöger

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