Sturmgewehr lädt bei Aufprall durch
Ein Prüfbericht zeigt, dass das StG 77 selbst repetiert / Bundesheer weiß davon seit Jahren
Ein tödlicher Schuss und ein Fall mit vielen offenen Fragen. So könnte man die Causa rund um den getöteten Wachsoldaten Ismail M. zusammenfassen. Durch einen Waffenprüf bericht wird jetzt zusätzlich Öl ins Feuer gegossen. Denn dieser könnte den Tatverdächtigen Ali Ü. vor einer Mordanklage bewahren. Wie berichtet, soll der 22Jährige am 9. Oktober in der ehemaligen Erzherzog-Albrecht-Kaserne seinen Kameraden erschossen haben
Die beiden Verteidiger des 22-Jährigen, Manfred Arbacher-Stöger und Farid Rifaat, präsentierten jetzt das Ergebnis, das auf einen Unfall hindeutet. Denn die beauftragte Versuchsanstalt für Materialprüfung, Sicherheitsund Waffentechnik in Ferlach machte mit einem Sturmgewehr 77 mehrere Falltests, um das Durchladeverhalten zu bestimmen. Dabei verwendeten die Experten ein halbgeladenes Steyr AUG – ein volles Magazin war angesteckt – und ließen die Waffe aus einer Höhe von einem Meter auf den Boden fallen. Das Ergebnis: Bei zehn von zehn Versuchen kam es zu einem vollständigen Ladevorgang. Bei der zweiten Versuchsreihe gab es ein ähnliches Ergebnis.
„Beim Fall auf den Kunststoff boden aus einer Höhe von einem Meter repetierte das verwendete Waffensystem Steyr AUG in neun von zehn Fällen, wobei die im zehnten Fall aufgetretene Ladehemmung durch die vorangegangenen Fallversuche munitionsbedingt eintrat“, heißt es in diesem Bericht. Zu demselben Ergebnis kamen die Experten bei einer Fallhöhe von 90 cm. Bei einer Höhe von 85 cm sank die Wahrscheinlichkeit auf 50 Prozent. Der Test auf einem Betonboden ließ die Waffe ebenfalls durchrepetieren.
Laut Bundesheersprecher Michael Bauer weiß man um den Ladevorgang des StG 77. „Wir haben vor Jahren die Waffe nach einem Vorfall überprüfen lassen und sind zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Bei einer Fallhöhe von einem Meter kann es zu einem Ladevorgang kommen“, sagt er zum KURIER. Den Soldaten werde das nicht mitgeteilt, weil „es nicht die Aufgabe des Bundesheeres ist, den Rekruten zu erklären, was alles mit ihrer Waffe getan werden kann“. Beim Hersteller selbst, Steyr Mannlicher, zeigt man sich ebenfalls nicht verwundert. Dort heißt es: „Das ist bei jedem Sturmgewehr so.“
Was wirklich geschah, weiß nur der Verdächtige selbst. Doch dieser soll an einer dissoziativen Amnesie leiden, könne sich nur noch an das Betreten des Raumes erinnern. Anwalt Farid Rifaat hat nun Haftbeschwerde eingereicht: Die U-Haft solle aufgehoben werden. Die Entscheidung obliegt dem Oberlandesgericht.
Mit Sicherung gespielt?
Die Anwälte gehen weiterhin von einer Verkettung unglücklicher Umstände aus. Laut Arbacher-Stöger hätte ein Zeuge ausgesagt, dass dem Verdächtigen die Waffe untertags hinuntergefallen sei. Um einen Schuss letztendlich abgeben zu können, muss das StG jedoch entsichert und dann der Abzug betätigt werden. Rifaat hält Folgendes für möglich: „Ein Wachposten hat ein halbgeladenes Sturmgewehr und vier Stunden Wache. Dem ist fad. Der spielt sich mit dem Sicherungsbolzen und weiß dann nicht, ob die Waffe gesichert ist oder nicht. Das Unglücksrisiko ist so hoch.“Beim Betreten des Wachcontainers könnte laut ihm Ali Ü. gestolpert sein. Alles Mutmaßungen, die die laufenden Ermittlungen klären sollen.