Urteil bewertet Aussehen von Zeuginnen
Fall Dr. L. Richter merkte „extravaganten Kleidungsstil“und Piercings von Ex-Frau und Tochter an
„Extravaganter Kleidungsstil“, „überladene Person“: Wie weit darf ein Richter in der (äußeren) Beurteilung einer Zeugin gehen?
Der Grazer Richter Andreas Rom ließ Erscheinungsbilder mit in seine Urteilsbegründung fließen. Etwa das der Ex-Frau jenes steirischen Mediziners, den er in erster Instanz frei sprach: Eduard L. wurde vorgeworfen, seine vier mittlerweile erwachsenen Kinder seelisch gequält zu haben. Der Mediziner wies die Vorwürfe stets von sich.
Mündlich im Verhandlungssaal begründete Rom den Freispruch mit der Anmerkung, dass L. von seiner Familie gehasst werde: „Schlussendlich ist das für mich nichts anderes als ein verspäteter Rosenkrieg.“Wie
profil berichtet, bewertet er in der schriftlichen Version auch das optische Erschei- nungsbild der Zeugen, also der Ex-Frau sowie deren Kinder. Über eine der Töchter heißt es: „Offensichtlich legt sie auf Kleidung, dem Anlass entsprechend, keinen Wert. Sie ist, was den Körperschmuck betrifft, in keiner Weise als konservativ zu bezeichnen.“Piercings fanden so Eingang in das Urteil.
„Beleidigend“
Die Geschwister sind empört. „Wir hatten uns Gerechtigkeit von diesem Verfahren erhofft“, teilten sie am Dienstag mit. „Bekommen haben wir eine zutiefst beleidigende und menschenverachtende Urteilsbegründung.“An dem Abend, als der Prozess mit dem Freispruch endete, brachen zwei der vier Kinder zusammen. Tief verletzt zeigten sie den Richter, aber auch den Ankläger wegen Verhandlungsführung und Ermittlungsverfahren bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft an.
Werner Zinkl, Präsident der Richtervereinigung, will dazu nichts sagen: Es handle sich um ein „laufendes Verfahren“. Allerdings betont Zinkl im KURIER-Gespräch, er hoffe auf weniger Emotion. „Ich denke, der sachliche Weg, den ich schon einmal eingemahnt habe, ist der richtige. Das RechtsmittelGericht ist am Zug.“