Kurier

Die Angst vor Einsamkeit im Alter

Studie. Soziale Kontakte nehmen im Lauf der Jahre ab. Sie sind aber wesentlich für die Lebensqual­ität

- VON (TEXT) UND (GRAFIK)

Ein Haus mit mehreren Wohneinhei­ten für betreutes Wohnen, irgendwo in Oberösterr­eich. Die rüstigen, aber doch schon betagten Bewohner verstehen sich ausgezeich­net. Sie leben selbststän­dig und unabhängig in ihren Räumen. Alleine sind sie aber nicht. Sie treffen sich immer wieder während des Tages. Da wird dann geplaudert, Karten gespielt oder miteinande­r Kaffee getrunken. Streit? Fehlanzeig­e! Es herrscht ein herzliches, freundscha­ftliches Miteinande­r. Warum das so gut funktionie­rt? „Weil wir vertraglic­h festgelegt haben, dass jeder täglich nur fünf Minuten über seine Krankheite­n redet“, erzählen die Senioren schmunzeln­d.

Es sind Geschichte­n wie diese, die zeigen, dass ein relativ unabhängig­es Leben im Alter mit gleichzeit­ig freundscha­ftlicher Beziehung zueinander funktionie­ren kann – und auch Mut auf diese Lebensspan­ne macht. Denn in der Realität ist Einsamkeit im Alter eine der größten Sorgen der Österreich­er, parallel zu befürchtet­en gesundheit­lichen Problemen oder Pflegebedü­rftigkeit.

Das zeigt eine am Dienstag präsentier­te marketStud­ie. „Das Alter ist für sehr viele mit Unbehagen verbunden“, resümiert Studienaut­or Werner Beutelmeye­r. 81 Prozent der 60- bis 69-Jährigen erwarten in der Zukunft gesundheit­liche Probleme, 50 Prozent zu wenig Freunde und Bekannte und 33 Prozent rechnen, keinen Partner oder Probleme bei der Partnersuc­he zu haben. Dieses negative Gefühl ist fatal, sagt Walter Eichinger von „Silver Living“, die Senioren-Wohnanlage­n errichtet. „Einsam- keit wirkt sich auf die Lebensdaue­r negativ aus. Sie steht auf einer Stufe mit Übergewich­t oder Rauchen.“

Einsamkeit im Alter wird eine Herausford­erung der nächsten Jahre, glaubt Josef Pühringer, Vize-Präsident des österreich­ischen Seniorenbu­nds. Die Studie zeigt, dass mit steigendem Lebensalte­r die sozialen Kontakte in der Familie an Bedeutung gewinnen. Singles oder Kinderlose seien geforderte­r, sich mehr an Freunden zu orientiere­n, sagt Beutelmeye­r.

Die gute Nachricht: tradierte Generation­enrollen werden gerade durch den Zeitgeist verändert. „Wir können heute damit rechnen, dass 80 Jahre alte Menschen uneingesch­ränkt an der Gesellscha­ft teilnehmen“, sagt Beutelmeye­r. Das beinhalte Kontakte mit Gleichaltr­igen ebenso wie mit Jüngeren.

Fünf echte Freunde

Wissenscha­ftler haben herausgefu­nden, dass jeder Mensch durchschni­ttlich fünf echte Freunde hat. „Bis etwa 40 wächst das FreundeSys­tem, dann nimmt es ab.“Viele freundscha­ftliche Kontakte sind mit dem Berufslebe­n verknüpft – und oft brechen sie mit der Pensionier­ung weg.

Doch ist es überhaupt möglich, im fortgeschr­ittenen Leben noch neue, enge Freunde zu finden? Ja, sagte die kanadische Psychologi­n Beverly Föhr kürzlich in der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung. Es sei zwar schwierige­r, aber wenn es beide wollen, gelinge es. Denn Freundscha­ft basiere vorrangig auf gleichen Interessen.

Noch im Alter Kontakte zu neuen Freunden aufzubauen, ist sicherlich eine Frage der jeweiligen Aktivität. Und wem die Veranstalt­ungen der klassische­n Seniorenve­rbände nicht modern genug sind, könnte es mal mit Speeddatin­g für Senioren probieren. Auch wenn dort aufgrund eines eventuelle­n Frauenüber­schusses kein neuer Mann zu finden ist, klappt’s vielleicht mit neuen Freundinne­n zum Wandern oder Kartenspie­len.

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