Schmerzen in der Schulter – viele Operationen sind unnötig
Studie. Physiotherapie und Injektionen sind genauso effektiv wie eine Schulterblatt-Erweiterung – auch bekannt als „Dekompression“
Schmerzen im Schultergelenk können mehrere Ursachen haben – ist der Raum zwischen dem Schultergelenk und dem darüber liegenden Knochenfortsatz am Schulterblatt zu eng, kann ein kleiner Eingriff durchgeführt werden. Bei dieser Schulterblatt-Erweiterung, auch „Dekompression“genannt, wird etwas Knochenmaterial oder Gewebe abgetragen, um Raum zu schaffen und etwa den Druck von Sehnen zu nehmen.
Doch nun berichten britische Wissenschaftler im renommierten Fachjournal Lancet, dass auf viele dieser Eingriffe verzichtet werden kann. Ihrer Studie zufolge sind solche Operationen genauso effektiv wie ein Scheineingriff: Sie unterzogen 200 Patienten einer Behandlung – die Betroffenen wussten nicht, ob an ihnen bloß ein Scheineingriff durchgeführt oder ob tatsächlich Knochenmaterial abgetragen wurde. Sechs und zwölf Monate nach der Behandlung gab es keinen statistischen Unterschied zwischen den Patienten mit Operation und jenen mit Placebo-Eingriff.
Kein Vorteil
„Die Ergebnisse unserer Studie deuten an, dass Operationen keinen klinisch bedeutenden Vorteil gegen- über dem Verzicht auf eine Behandlung bieten, und dass die Schulterblatt-Erweiterung nicht besser ist als ein Placebo-Eingriff “, erklärt Studienautor Andrew Carr. Sein gleichfalls an der Universität Oxford forschender Kollege David Beard betont, dass statt auf die Eingriffe eher auf Schmerzmittel, Physiotherapie oder Steroid-Injektionen gesetzt werden sollte.
Für eine konservative Behandlung spricht sich auch Prim. Martin Dominkus von der Österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie aus: „Bei Schulterschmerzen sollten zunächst schwere Verletzungen, etwa an den Rotatorenmanschetten, ausgeschlossen werden. Liegt das nicht vor, behandelt man zunächst sechs Monate konservativ mit Physiotherapie, Schmerzmitteln und allenfalls CortisonSpritzen – dabei ist wichtig, die Einhaltung der Therapie auch zu kontrollieren.“In der Regel würden sich danach Besserungen zeigen – wenn nicht, könne noch immer operiert werden.
Univ.-Prof. Dominkus warnt davor, die Notwendigkeit der Operation in Frage zu stellen, und vermutet, dass auch die Placebo-Behandlung der Ärzte aus Oxford einen Effekt hatte: „Beschwerden in der Schulter werden oft von Schleimhautentzündungen oder Verkalkungen ausgelöst. Es könnte sein, dass die Placebo-Behandlung allein durch die Reinigung des Bereichs Effekte zeigt – dabei wird zwar kein Knochen weggenommen, aber der Bereich wird beim Eingriff aufgedehnt und ausgespült. Auch das kann Teil der Behandlung sein.“