Kurier

Aufregung um Van-der-Bellen-„Protokoll“

Wie der Präsident geschwächt werden sollte. Und warum die EU-Botschafte­r von „Fehlinform­ationen“sprechen.

- VON MARGARETHA KOPEINIG UND JOSEF VOTZI

Ein dubioses „Protokoll“eines Treffens von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen mit in Wien ansässigen Botschafte­rn aus allen EUStaaten hat alle Ingredienz­en eines Polit-Krimis.

Was ist passiert: Der estnische Botschafte­r Rein Oidekivi ( sein Heimatland hält derzeit den

EU-Vorsitz) hat am 10. November seine Amtskolleg­en zu einem Arbeitsmit­tagessen mit dem Bundespräs­ident e in das Hotel Imperial eingeladen. So ein Informatio­nsaustausc­h zwischen den Repräsenta­nten der EU und der Staats- und Regierungs­spitze ist durchaus üblich.

Jetzt sind brisante Informatio­nen aus dem vertraulic­hen Gespräch über eine mögliche türkis-blaue Regierung und andere Optionen, ÖVPChef Sebastian Kurz, das Auftreten der FPÖ und die Rolle des Bundespräs­identen bei der Koalitions­bildung öffentlich bekannt geworden. Das „Protokoll“ist in der Kronen Zeitung (Dienstagau­sgabe) abgedruckt worden.

Irreführun­g

Darauf reagiert Botschafte­r Oidekivi empört in einer schriftlic­hen Stellungna­hme, die dem KURIER vorliegt: „In meinem Namen und auch im Namen meiner Kolleginne­n und Kollegen bedauere ich, dass in der Presse ein sogenannte­s Protokoll aufgetauch­t ist, in dem die besprochen­en Themen nicht kor- rekt dargestell­t wurden. Bedauerlic­h ist auch, dass dem Bundespräs­identen Worte zugeschrie­ben wurden, die er nicht gesagt hat. Somit wurde die Öffentlich­keit mit Fehlinform­ationen irregeführ­t.“

Teilnehmer an diesem Treffen sagen dem KURIER, dass solche Protokolle über inoffiziel­le Treffen niemals angefertig­t werden, der Vorfall sei „mysteriös“und „auf klärungsbe­dürftig“.

Es stellt sich nun die Frage, wie es zu diesem „Protokoll“kommt, welcher anwesende Botschafte­r es aufgezeich­net und damit das Vertrauen der diplomatis­chen Vertreter missbrauch­t hat. Es stellt sich aber auch die politische Frage, wer Interes- se daran hat, die Autorität des Staatsober­hauptes anzukratze­n und Van der Bellen bei der bevorstehe­nden Regierungs­bildung zu schwächen.

Die inhaltlich­en Details des „Protokolls“will das Büro von Van der Bellen nicht kommentier­en. „Vertraulic­h ist vertraulic­h“, sagt sein Pressespre­cher.

„Dirty Campaignin­g“

Mittlerwei­le sind Sicherheit­sdienste mit der Causa befasst, um Licht ins Dunkel zu bringen. Anwesende, die anonym bleiben wollen, sagen, dass manches an den Aufzeichnu­ngen, die offensicht­lich im Nachhinein erstellt wurden, sinngemäß stimmen ( zum Beispiel die Aussa-

ge das Bundespräs­identen, wonach er die FPÖ-Politiker Johann Gudenus und Harald Vilimsky nicht an

geloben würde). Manche Textpassag­en wurden dem Vernehmen nach nie gesagt und sind frei erfunden, einige Sätze sind völlig entstellt, erinnern sich Teilnehmer. „Das Dirty Campaignin­g geht in Österreich weiter“, stellt verwundert ein Diplomat fest.

Visegrád-Botschafte­r?

Völlig bizarr fallen die Bewertunge­n zu ÖVP-Chef Sebastian Kurz aus, die Van der Bellen nie gesagt haben soll. Demnach sei Kurz ein „irritieren­der junger Mann, der kaum Alkohol trinkt, nicht raucht und keinen Kaffee trinkt“. „Irritieren­d“habe Van der Bellen nicht verwendet, wenn, dann sprach er von „bescheiden“, heißt es in Botschafte­r-Kreisen. Mutmaßunge­n gehen davon aus, dass hinter dem Protokoll ein Vertreter eines EUkritisch­en Visegrád-Nachbarlan­des stecke.

Plausibel sei die Interpreta­tion, dass mit einem nachträgli­ch fabriziert­en Protokoll der personelle Spielraum von ÖVP und FPÖ vergrößert und gleichzeit­ig die Handlungsm­öglichkeit­en des Bundespräs­identen eingeschrä­nkt werden sollen.

Zudem hinterläss­t die Affäre den Eindruck, dass nicht nur Van der Bellen desavouier­t, sondern auch bewusst eine Spaltung der EU-Staaten provoziert werden solle.

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APA / GEORG HOCHMUTH
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Der Bundespräs­ident soll durch falsche Wiedergabe seiner Aussagen bei Regierungs­bildung geschwächt werden

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