Aufregung um Van-der-Bellen-„Protokoll“
Wie der Präsident geschwächt werden sollte. Und warum die EU-Botschafter von „Fehlinformationen“sprechen.
Ein dubioses „Protokoll“eines Treffens von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit in Wien ansässigen Botschaftern aus allen EUStaaten hat alle Ingredienzen eines Polit-Krimis.
Was ist passiert: Der estnische Botschafter Rein Oidekivi ( sein Heimatland hält derzeit den
EU-Vorsitz) hat am 10. November seine Amtskollegen zu einem Arbeitsmittagessen mit dem Bundespräsident e in das Hotel Imperial eingeladen. So ein Informationsaustausch zwischen den Repräsentanten der EU und der Staats- und Regierungsspitze ist durchaus üblich.
Jetzt sind brisante Informationen aus dem vertraulichen Gespräch über eine mögliche türkis-blaue Regierung und andere Optionen, ÖVPChef Sebastian Kurz, das Auftreten der FPÖ und die Rolle des Bundespräsidenten bei der Koalitionsbildung öffentlich bekannt geworden. Das „Protokoll“ist in der Kronen Zeitung (Dienstagausgabe) abgedruckt worden.
Irreführung
Darauf reagiert Botschafter Oidekivi empört in einer schriftlichen Stellungnahme, die dem KURIER vorliegt: „In meinem Namen und auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen bedauere ich, dass in der Presse ein sogenanntes Protokoll aufgetaucht ist, in dem die besprochenen Themen nicht kor- rekt dargestellt wurden. Bedauerlich ist auch, dass dem Bundespräsidenten Worte zugeschrieben wurden, die er nicht gesagt hat. Somit wurde die Öffentlichkeit mit Fehlinformationen irregeführt.“
Teilnehmer an diesem Treffen sagen dem KURIER, dass solche Protokolle über inoffizielle Treffen niemals angefertigt werden, der Vorfall sei „mysteriös“und „auf klärungsbedürftig“.
Es stellt sich nun die Frage, wie es zu diesem „Protokoll“kommt, welcher anwesende Botschafter es aufgezeichnet und damit das Vertrauen der diplomatischen Vertreter missbraucht hat. Es stellt sich aber auch die politische Frage, wer Interes- se daran hat, die Autorität des Staatsoberhauptes anzukratzen und Van der Bellen bei der bevorstehenden Regierungsbildung zu schwächen.
Die inhaltlichen Details des „Protokolls“will das Büro von Van der Bellen nicht kommentieren. „Vertraulich ist vertraulich“, sagt sein Pressesprecher.
„Dirty Campaigning“
Mittlerweile sind Sicherheitsdienste mit der Causa befasst, um Licht ins Dunkel zu bringen. Anwesende, die anonym bleiben wollen, sagen, dass manches an den Aufzeichnungen, die offensichtlich im Nachhinein erstellt wurden, sinngemäß stimmen ( zum Beispiel die Aussa-
ge das Bundespräsidenten, wonach er die FPÖ-Politiker Johann Gudenus und Harald Vilimsky nicht an
geloben würde). Manche Textpassagen wurden dem Vernehmen nach nie gesagt und sind frei erfunden, einige Sätze sind völlig entstellt, erinnern sich Teilnehmer. „Das Dirty Campaigning geht in Österreich weiter“, stellt verwundert ein Diplomat fest.
Visegrád-Botschafter?
Völlig bizarr fallen die Bewertungen zu ÖVP-Chef Sebastian Kurz aus, die Van der Bellen nie gesagt haben soll. Demnach sei Kurz ein „irritierender junger Mann, der kaum Alkohol trinkt, nicht raucht und keinen Kaffee trinkt“. „Irritierend“habe Van der Bellen nicht verwendet, wenn, dann sprach er von „bescheiden“, heißt es in Botschafter-Kreisen. Mutmaßungen gehen davon aus, dass hinter dem Protokoll ein Vertreter eines EUkritischen Visegrád-Nachbarlandes stecke.
Plausibel sei die Interpretation, dass mit einem nachträglich fabrizierten Protokoll der personelle Spielraum von ÖVP und FPÖ vergrößert und gleichzeitig die Handlungsmöglichkeiten des Bundespräsidenten eingeschränkt werden sollen.
Zudem hinterlässt die Affäre den Eindruck, dass nicht nur Van der Bellen desavouiert, sondern auch bewusst eine Spaltung der EU-Staaten provoziert werden solle.