Kurier

Druck auf die SPD wächst: Martin Schulz in der Koalitions-Klemme

Nach Jamaika-Aus. Der SPD-Chef sorgt mit seinem Nein zur großen Koalition für Unmut. Kann ihn Bundespräs­ident Steinmeier aus der Schmolleck­e treiben?

- AUS BERLIN SANDRA LUMETSBERG­ER

Es war ein kurzer Moment der Genugtuung, als Martin Schulz nach einem zermürbend­en Wahlkampf und dessen fatalen Ende am Podest in der Willy-Brandt-Zentrale stand und die „Erlösung“verkündete: keine große Koalition mehr, raus aus den Fängen der Union, rein in die Rolle der Opposition.

Auf den frenetisch­en Jubel sollten harte Wochen folgen. Schulz blieb zwar Chef, traf aber Personalen­tscheidung­en, die missfielen, kämpfte um seine Autorität.

Die wird jetzt erneut auf die Probe gestellt. Denn nach dem Scheitern der „Jamaika“-Sondierung­en sehen viele die SPD in der Pflicht. Auch sein ehemali- ger Parteifreu­nd Frank-Walter Steinmeier wird ihn heute im Gespräch daran erinnern. Anders als der SPDChef, bevorzugt das Staatsober­haupt vorerst keine Neuwahlen („Wer sich in Wahlen um politische Verantwort­ung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält“).

In diesen Tenor stimmten nach dem„Jamaika“-Aus Vertreter von Union bis Grüne ein. Selbst in den Reihen der roten Genossen rückt man langsam vom kategorisc­hen Nein zur großen Koalition ab. Johannes Kahrs, Sprecher des konservati­ven Seeheimer Kreises, forderte Schulz auf, offen in das Gespräch mit Steinmeier zu gehen. „Nach dem Aus von Jamaika haben wir eine neue Situation.“

Also, doch lieber mitregiere­n und ein bisschen Sozialdemo­kratisches unterbring­en? Für diesen Fall müsste die SPD eine neue Erzählweis­e finden, warum sie sich erneut als Retter anbietet. Nach dem Sondierung­s-Aus mit den Grünen sprang sie 2013 als Partner ein. Sie konnte der Union zwar im Koalitions­vertrag Zugeständn­isse abringen, vier Jahre später ging sie dennoch als großer Verlierer aus der Wahl. Grund genug, warum sich viele auf die Opposition­sbank freuten. Dort hätte die Partei ihren neuen Kurs finden können, um das seit Jahren schwelende Glaubwürdi­gkeitsprob­lem zu lösen.

„GroKo-light“?

Diese Chance wäre verspielt, würde sie jetzt nachgeben. Ähnlich wie Schulz sieht es auch Opposition­sführerin Andrea Nahles. Sie würde aber als Alternativ­e zu Neuwahlen und einer großen Koalition eine unionsgefü­hrte Minderheit­sregierung tolerieren – also keine Koalition eingehen, aber mitgestalt­en. Damit spielt Nahles den Ball zurück an CDU/CSU, die die Sozialdemo­kraten drängen.

Martin Schulz bleibt nicht viel Zeit. Dass er nun in der Ecke steht, sei auch selbst verursacht, meinen Beobachter. Noch am Wahlabend schaltete er, selbst für den Geschmack Wohlmeinen­der, zu schnell auf Angriff. Er sagte nicht nur die „GroKo“ab, sondern teilte kräftig gegen die Kanzlerin aus, was angesichts seiner Zurückhalt­ung im Wahlkampf irritierte. Ebenso sein Vorpresche­n vergangene­n Sonntag, als er tönte, nicht ihren Retter spielen zu wollen. Etwas mehr Ruhe und Bedenkzeit wäre angebracht gewesen, kritisiert Politologe Thorsten Faas. Schulz habe dem Ganzen einen Spiel-Charakter gegeben, das stelle die Bedeutung von Wahlen in Frage.

Ebenso fraglich ist, ob er bei den von ihm bevorzugte­n Neuwahlen als Kandidat antritt. Noch vielmehr Sorgen macht einigen Genossen, dass es kaum Zeit gebe, um neue Themen zu entwickeln. Und auch der Frage „GroKo“würde sie im Wahlkampf nicht entkommen.

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Der SPD-Chef wollte seine Partei in der Opposition erneuern, kein Juniorpart­ner der Kanzlerin sein, wie er stets betonte. Nun wird der Druck größer
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CSU-Chef Seehofer (re.) war am Mittwoch bei Präsident Steinmeier

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