„Ich werde bei euch bleiben“– Premier Hariris bejubelte Heimkehr
Rücktritt vom Rücktritt. Libanons Premier Saad Hariri bleibt vorerst im Amt – und seinem Volk einige Antworten schuldig.
„Ich werde bei euch bleiben, damit wir die Stabilität des Libanons verteidigen“, rief der libanesische Premier Saad Hariri jubelnden Anhängern in Beirut zu – und sorgte damit für eine Überraschung.
Bis Mittwochfrüh schien der sunnitische Moslem fest davon überzeugt zu sein, seinen Rücktritt offiziell noch einmal bekannt zu geben. Doch dieser ist zumindest aufgeschoben: „Ich habe Präsident Aoun mein Rücktrittsgesuch übergeben, doch er bat mich, noch etwas zu warten und weitere Beratungen zu führen. Ich habe eingewilligt“, sagte Hariri nach einer Militärparade anlässlich des libanesischen Nationalfeiertags. Euphorische Libanesen hatten bereits Dienstagnacht die Straßen von Beirut gefüllt, als ihr Ministerpräsident nach Wochen der Unklarheit wieder auf libanesischem Boden landete.
Antworten schuldig
Trotzdem bleibt Hariri einige Antworten schuldig – etwa die, warum er am 4. November von Saudi-Arabien aus seinen Rücktritt erklärt und sein Land damit beinahe in eine Krise gestürzt hatte. Dass er amNationalfeiertag seinen ersten öffentlichen Auftritt absolvierte, sahen viele Libanesen als positives Zeichen.
Der Feiertag jährte sich am Mittwoch zum 74. Mal und soll an die Unabhängigkeit des Landes von Frankreich erinnern. Dafür ist der Libanon seit Jahrzehnten von anderen Mächten abhängig: Die schiitische Hisbollah-Miliz ist die stärkste bewaffnete Kraft im Land und wird vom Iran unterstützt, während die Sunniten, die 21 Prozent der Bevölkerung ausmachen, unter starkem saudischen Einfluss stehen.
Wackelige Stabilität
Die dritte einf lussreiche Bevölkerungsgruppe sind mit 40 Prozent die Christen, denen sich Frankreich aufgrund der kolonialen Vergangenheit eng verbunden fühlt. Nach jahrelangem Bürgerkrieg einigte sich das libanesische Volk darauf, dass der Präsident des Landes immer ein Christ, der Premier ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit sein müsse, um eine gewisse politische Stabilität zu gewährleisten.
Diese brachte Hariri mit seiner Rücktrittsankündigung Anfang November ins Wanken, und es ist unklar, wie es im Libanon weitergeht. In den Tagen der Unsicherheit rüstete sich Zypern für einen möglichen Ansturm von Flüchtlingen – etwa 1,5 Millionen leben im Libanon, und das bei einer Bevölkerung von 6,2 Millionen Menschen. Gleichzeitig wurden Befürchtungen laut, Israel könnte einen Militärschlag gegen die Hisbollah vorbereiten. Auch wenn vorerst keine Ausschreitungen im Inland befürchtet wurden, war die Lage angespannt.
Es wird spekuliert, dass Hariri von Saudi-Arabien zu seinem Rücktritt gezwungen wurde, was er selbst bestreitet. Die neue Außenpolitik Riads richtet sich radikal wie selten zuvor gegen Teheran und somit auch gegen die Hisbollah. Das wurde auch in Hariris Rücktrittsrede in Saudi-Arabien deutlich spürbar, als er den Iran als Verursacher von „Zwietracht, Verwüstung und Zerstörung“bezeichnete.
Verbindung mit Riad
Hariri hatte den Rücktritt mit einer „Angst vor Attentaten“begründet – sein Vater, Rafiq Hariri, war selbst Premier und wurde 2005 bei einem Anschlag getötet. Die Familie Hariri, der einige Unternehmen gehören, hat enge Kontakte nach Saudi-Arabien, Saad besitzt sogar die saudische Staatsbürgerschaft.
Gerade als sich der Verdacht, Hariri sei unter Hausarrest, zu erhärten begann, reiste dieser nach Paris, um sich mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu treffen. Dieser vermittelte offenbar mit Erfolg.
Es scheint, als ob nach wie vor alle Beteiligten die Stabilität des kleinen Landes wahren wollten – Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah hatte bereits am Montag seine Bereitschaft zum Dialog und zur Fortsetzung der Koalition mit Hariri erklärt.