Kurier

Die Nächte werden weltweit heller

Lichtversc­hmutzung. Der Sternenhim­mel verblasst im LED-Licht – neue Konzepte sorgen für mehr Dunkelheit

- VON UND Wien leuchtet (MA 33)

Die Sterne funkeln zu Weihnachte­n wie nie – als Dekoration in Auslagen, in Vorgärten und auf Adventmärk­ten. Das erhöht den Energiever­brauch, wie Stefan Zach vom nö. Energiever­sorger EVN weiß: „Rund um Weihnachte­n werden für Festbeleuc­htungen drei bis fünf Prozent mehr Strom verbraucht.“Und das, obwohl heutzutage meist stromspare­nde LEDLampen verwendet werden.

Die Lichtversc­hmutzung nimmt zu – nicht nur zu Weihnachte­n. Es bleiben wenige Oasen der Finsternis mit ungetrübte­m Ausblick ins Universum. Wie eine Studie jetzt zeigt, trägt der Siegeszug der LED-Lampen dazu bei, dass es weltweit immer heller wird. Das Team rund um Christophe­r Kyba, Physiker am Geoforschu­ngszentrum in Potsdam, wertete Satelliten­aufnahmen aus den Oktobermon­aten 2012 bis 2016 aus. Ergebnis: „Die Intensität des künstliche­n Lichts und die Größe der beleuchtet­en Fläche haben zugenommen – weltweit zwei Prozent pro Jahr.“Für Österreich haben Wetterkapr­iolen die Daten verfälscht. Global zeigt sich, dass der Anstieg der Lichtversc­hmutzung mit dem Wachstum des Bruttosozi­alprodukts zusammenhä­ngt.

„LEDs sind heute die meistverka­uften Lichtquell­en“, sagt Kyba. Diese strahlen etwa zwölf mal so stark wie herkömmlic­he Glühlampen und sind deutlich effiziente­r als Leuchtstof­fröhren und Halogenlam­pen. In der Herstellun­g und im Verkauf sind LEDs teuer, doch die neue Generation ist langlebig und beim Energiever­brauch den Auslaufmod­ellen überlegen.

Trotzdem: „Mehr Licht ist nicht die Antwort, sondern eine bessere Verteilung“, sagt der Physiker. Um zwei Drittel ließe sich die Lichtemiss­ion mit moderner Technik senken – bei subjektiv gleichblei­bender Sichtweise.

In Wien arbeitet man seit Jahren an Lichtplanu­ngskonzept­en. In ersten Tests wurden 2012 auf der Donauinsel Kugellampe­n durch LEDLampen ersetzt, die in Wien entwickelt wurden. Harald Bekehrti, Chef der MA33 (Beleuchtun­g) erläutert: „Kugellampe­n streuen das Licht überall hin. Ähnliches gilt für alte Kandelaber, die mehr blenden als ausleuchte­n. Unsere LED-Leuchten lenken den Lichtstrah­l mittels einer vorgesetzt­en Linse auf die zu beleuchten­den Flächen – diese Linsentech­nik ist die wahre Innovation.“

Diese Full-cut-off-Lampen leuchten nur unterhalb eines Winkels von 85 Grad, heißt knapp unter der Horizontal­e – wie ein Schirm, der das Licht nach oben abhält. Weitere Vorteile der neuen Technik: Der Energiever­brauch ging um 60 Prozent zurück, sodass sich der Wechsel auf die neuen Lampen be- reits innerhalb von 14 Jahren amortisier­en wird.

In Ungarn beschritt man einen anderen Weg: Das alte Beleuchtun­gssystem wurde auf weiße abgeschirm­te LEDs umgestellt und so die Lichtversc­hmutzung reduziert. In der Simulation wurden mit orangefarb­enem LED-Licht noch bessere Ergebnisse erzielt. In den USA brachte blaues LED-Licht zum Dimmen Einsparung­en.

Stephansdo­m

Doch die Straßenbel­euchtung ist nur ein Teil des Problems, wie die Wiener Umweltanwä­ltin Andrea Schnatting­er betont: „Die Lichtglock­e über Wien stammt zu zwei Dritteln aus Privathaus­hal- ten, Geschäften sowie Effektbest­rahlungen, wenn z. B. der Stephansdo­m angestrahl­t wird.“Ziel müsse es sein, dass Licht nur dort eingesetzt wird, wo es aus Sicherheit­sgründen notwendig ist. „Fußgänger und Radfahrer brauchen Beleuchtun­g, nicht die Straße“, fordert Kyba. Und man sollte erforschen, wie viel Licht im modernen Nachtleben überhaupt noch notwendig sei.

Denn zu viel Licht kann für Mensch und Natur belastend sein, so Schnatting­er: „Tiere verlieren z. B. die Orientieru­ng – Zugvögel fliegen in den Tod, Insekten sterben vermehrt. Hier hat das Wiener Lichtkonze­pt einiges verbessert.“Bei Menschen sei die Produktion des Schlafhorm­ons Melatonin gestört, wobei Handy und TV viel mehr Einfluss hätten. Diese Lichtversc­hmutzung macht krank, weil sie den Biorhythmu­s aus dem Takt bringt.

Was also tun? „Melden Sie den Behörden, wenn Licht in ihr Zimmer scheint. Ziehen Sie Vorhänge zu, damit kein Licht aus der Wohnung nach draußen dringt. Und beleuchten Sie den Vorgarten nur in der Weihnachts­zeit, wenn es kaum Insekten gibt“, sagt Kyba.

Auf Dauer wünscht sich Bekehrti (MA 33) aber weniger Licht im Dunkeln: „Mein Ziel ist es, dass unsere Kinder in Wien einmal den Sternenhim­mel sehen werden.“

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